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Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit



Die internationale Gewerkschaftsbewegung und die Wahlen in Brasilien

An die IUL Web-Site geschickt am 01-Nov-2002

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Mit der Wahl von Lula da Silva zum Pr�sidenten Brasiliens am 27. Oktober haben sich die Brasilianer mit �berw�ltigender Mehrheit f�r einen Wandel entschieden. Die hohe Stimmenzahl f�r den Kandidaten der Arbeiterpartei (PT) war nicht nur ein Misstrauensvotum gegen die neoliberale Politik der bisherigen Regierungskoalition, ein Protest gegen die Korruption und die Ablehnung eines erfolglosen Systems. Die Wahl Lulas war dar�ber hinaus auch eine massive, positive Entscheidung f�r Arbeitspl�tze f�r die Arbeitslosen und Land f�r die Landlosen sowie f�r W�rde und Gerechtigkeit in einem Land, in dem Ungleichheit, Hunger und Gewalt die Menschen mit Angst und Schrecken erf�llen.

Der verbl�ffende Wahlsieg der PT - der erste seiner Art in Brasilien - ist auch ein Sieg f�r die Gewerkschaftsbewegung, denn die Gewerkschaften sind nach wie vor das Fundament, auf dem die PT ihr Netz von sozialen Organisationen und Aktivisten aufgebaut hat. Er ist auch ein Sieg f�r die internationale Gewerkschaftsbewegung, und wir sollten uns jetzt darauf vorbereiten, die neue Regierung zu verteidigen und dabei zu helfen, ihr den Freiraum und die Mittel zu verschaffen, die sie ben�tigt, wenn die durch die Wahl Lulas freigesetzten gewaltigen Hoffnungen und Energien nicht verpuffen sollen.

Die Millionen Brasilianer, die Lula ihre Stimme gaben, stimmten damit nicht f�r eine wirksamere Sparpolitik und Herrschaft des IWF. Sie stimmten vielmehr f�r reale Reformen, und darin liegt die Herausforderung. Denn wohl nie war die Kluft zwischen den Reformbestrebungen und den f�r einen Wandel zur Verf�gung stehenden Mitteln gr��er, als dies heute in Brasilien der Fall ist.

Die Hinterlassenschaft der bisherigen Regierung f�r die Bev�lkerung Brasiliens sind eine dr�ckende Schuldenlast, eine drastisch verfallende W�hrung und einschneidende K�rzungen der �ffentliche Ausgaben � also der Preis f�r immer mehr Kredite, die urspr�nglich zum Teil gew�hrt wurden, um Cardoso zu st�rken und die �bernahme der Pr�sidentschaft durch die PT zu verhindern. Spekulative Kapitalstr�me und hohe Zinss�tze haben die Industrieproduktion gedrosselt, w�hrend die Einfuhren anschwollen � einer der Gr�nde, warum auch viele Industrielle die Kandidatur Lulas unterst�tzten. Die brasilianische Industrie hat auch allen Grund, die Vorschl�ge f�r eine Amerikanische Freihandelszone nach dem katastrophalen Muster der NAFTA zu f�rchten, da diese das Ende jeder nationalen Industriepolitik bedeuten w�rde. Ein taktisches B�ndnis zwischen den Gewerkschaften und den Produzenten, die bereit sind, Gewerkschaftsrechte einzuhalten, ist deshalb in der gegenw�rtigen Situation absolut sinnvoll. Es bindet aber auch der Regierung die H�nde. Reformen kosten Geld, und die internationalen Geldgeber werden alles daf�r tun, dass die vorhandenen Mittel daf�r eingesetzt werden, die Schulden zu tilgen, statt Bodenreformen und Sozialdienste zu finanzieren und den Lebensstandard der Armen zu erh�hen.

F�r die internationale Gewerkschaftsbewegung sind tiefgreifende und dauerhafte Reformen in diesem Land ebenso wichtig wie f�r die Bev�lkerung Brasiliens, und wir m�ssen darauf hinwirken, dass die Pr�sidentschaft Lulas nicht zur Geisel eines r�uberischen internationalen Finanzsystems wird. Lula mag keine andere Wahl gehabt haben, als die von seinen Vorg�ngern eingegangenen Verpflichtungen zu �bernehmen. Dies kann und sollte uns jedoch nicht davon abhalten, uns f�r den Erlass der Schulden der Entwicklungsl�nder, ein sowohl realistisches als auch unerl�ssliches Projekt, einzusetzen.

Der US-amerikanische Handelsattach� Robert Zoellick hat Brasilien erkl�rt, es m�sse zwischen dem Handel mit der Amerikanischen Freihandelszone und dem Handel mit Antarctica w�hlen. Diese Behauptung ist ebenso gef�hrlich wie grotesk. Die NAFTA ist in sozialer, wirtschaftlicher und umweltpolitischer Hinsicht ein Fiasko. Vorschl�ge, sie auf die gesamte Hemisph�re auszudehnen, k�nnen und m�ssen abgelehnt werden. Die Alternative zur Amerikanischen Freihandelszone ist nicht Antarctica, weil Vorschl�ge, den Antarctica-Vertrag aufzuk�ndigen und den Tagebau zuzulassen, deutlich machen, wie Antarctica im Rahmen der NAFTA aussehen w�rde. Die Alternative ist vielmehr ein Handelssystem, das auf Entwicklung und die Anhebung, nicht aber die Absenkung von Sozial- und Umweltnormen ausgerichtet ist. Auch hierbei hat die internationale Gewerkschaftsbewegung eine entscheidende Rolle zu spielen.

Die Arbeiterpartei ist durch ihre Einf�hrung der "partizipatorischen Haushaltserstellung" in Porto Alegre bekannt geworden, eines Verfahrens, nach dem der Kommu-nalhaushalt der �ffentlichkeit zur Pr�fung und demokratischen Entscheidung unter-breitet werden. Gewerkschaften k�nnen zum Sieg der Arbeiterpartei in Brasilien beitragen, indem sie die nationale und internationale Politik gegen�ber der neuen Regierung - in erster Linie die Handels- und Finanzpolitik � aktiv verfolgen, damit diese den Freiraum und die Mittel erh�lt, die sie ben�tigt. Lulas Sieg macht die dringende Notwendigkeit deutlich, die Politik des IWF und kontinentale Handelsabsprachen aus den Hinterzimmern der Konzerne in das Licht der �ffentlichkeit zu r�cken und sie nach den gleichen Kriterien zu beurteilen, nach denen die B�rger von Porto Alegre �ber den Haushalt ihrer Stadt entscheiden.