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IUL
Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit



Nestlé, Erpressung und die Arroganz der Macht

An die IUL Web-Site geschickt am 17-Sep-2009

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Als Reaktion auf Diskussionen innerhalb der Regierung über staatlich festgelegte Begrenzungen der Managerbezüge hat Nestlé-Präsident Peter Brabeck öffentlich und in aller Deutlichkeit damit gedroht, das weltweit größte Lebensmittelunternehmen aus der Schweiz abzuziehen. In einem Interview mit der Wochenzeitschrift Sonntag vom 13. September stellte Brabeck die Frage, ob die Schweiz "noch weiterhin der richtige Standort für uns ist", und bezeichnete staatliche Lohnobergrenzen als "Anfang vom Ende".

Der Nestlé-Chef hat 2008 fast 14 Millionen Schweizer Franken verdient und im Jahr davor, als die Märkte boomten, mehr als 3 Millionen zusätzlich (dank seiner Aktienoptionen). Die Vergütungen an der Spitze von Nestlé fallen unter das vom Unternehmen äußerst geschickt als "gemeinsame Wertschöpfung" propagierte Konzept (wobei Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften ständig für das Recht auf einen Anteil an diesem Wert kämpfen müssen). Brabecks Anliegen ist natürlich die Rechtssicherheit, nicht sein Portemonnaie. Die Schweiz, erklärte er, sei dafür bekannt, dass sie "solchen Forderungen nicht nachgibt". Eine Woche zuvor hatte er auf der Jahrestagung des Verbandes der Schweizer Unternehmen behauptet: "Populismus bestimmt die Gesetzgebung in Bananenrepubliken".

Im Zeitalter der Aktienoptionen hat die Tatsache, dass es in der Schweiz keine Kapitalgewinnsteuern und nur eine minimale Regulierung gibt, das Land zu einem attraktiven Standort für Finanz- und sogar Fertigungs- und Dienstleistungsunternehmen gemacht. Das wahre Problem, um das es hier geht, ist die Arroganz - und der Missbrauch - der Macht. "Ich fühle mich überhaupt nicht mächtig", erklärte Brabeck am 20. August gegenüber dem österreichischen Kurier. Doch die bloße Diskussion über gesetzliche Schranken für obszöne Vergütungspakete bewirkt bereits Drohungen einzupacken und wegzugehen.

Nestlé ist nie davor zurückgeschreckt, im In- und Ausland kräftig auszuteilen. Das arrogante Auftreten des Unternehmens im Obersten Gericht des US-amerikanischen Bundesstaates Maine, wo der Nestlé-Anwalt immer wieder behauptete, der Widerstand von Gemeinden gegen den kommerziellen Zugang Nestlés zu öffentlichen Wasserressourcen verletze das Recht des Unternehmens auf maximalen Marktanteil, schockierte sogar den Richter. Dieser auf Videoband festgehaltene Auftritt ist inzwischen zur Legende geworden. Weniger bekannt sind die zahlreichen Fälle, in denen Nestlé weltweit jede nur bestehende Rechtslücke voll ausgenutzt hat, um die Rechte der Arbeitnehmer in Nestlé-Betrieben zu beschränken. Überregulierung ist kein Problem, wenn es darum geht, Arbeitnehmer im Zaum zu halten...

Die enormen Gewinne bei Nestlé finanzieren nicht nur die enormen Vergütungen für das Topmanagement - sie dienen auch dem Unterhalt einer ganzen Armee von Anwälten in aller Welt, deren Aufgabe es ist, das Recht des Unternehmens auf Beschränkung der Rechte der Arbeitnehmer, die die berühmten Nestlé-Produkte erzeugen, zu schützen. Damit wird das Nestlé-Argument verteidigt, Löhne seien ein "Betriebsgeheimnis" und nicht Gegenstand von Kollektivverhandlungen, das es dem Unternehmen beispielsweise erlaubt, Nescafé-Arbeitnehmern in Indonesien nach wie vor das Recht auf Verhandlungen über ihre Lohntarife und Aufnahme der Lohntarife in die Tarifvereinbarungen zu verweigern.

In Indien haben Nestlé-Anwälte in acht Jahren in nicht weniger als 54 Fällen den Aufschub von Gerichtsterminen erwirkt, um Verhandlungen mit der Gewerkschaft im Betrieb Ponda zu verhindern. Für keinen einzigen Nestlé-Arbeitnehmer in Indien gilt ein Tarifvertrag. Nestlé behauptet, Arbeitnehmer benötigten keine Lohnverhandlungen, weil die Unternehmensleitung eine "wissenschaftliche Studie" dieser Frage durchgeführt habe.

Mit Abzug zu drohen ist bei Nestlé auch nichts Neues - im Rahmen eines Konflikts mit der Gewerkschaft der Nescafé-Fabrik in Korea hat Nestlé 2003 die Arbeitnehmer ausgesperrt und damit gedroht, die Produktion nach China zu verlagern, falls die Gewerkschaft nicht jeder einzelnen Forderung der Unternehmensleitung nachgebe.

Unverhohlene Erpressung, um einer längst fälligen Diskussion über Managergehälter ein Ende zu machen, ist keine Überraschung - Privatmacht ist stets als erste bei der Hand, um die Ausübung von Staatsmacht im Interesse der Allgemeinheit zu verurteilen und möglichst zu vereiteln. Nestlé hat sich in dieser Beziehung wieder einmal ausgezeichnet.