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Der Kommissar, 'Transparenz' und Verhaltensordnungen: der letzte Rettungsanker eines Gauners?

An die IUL Web-Site geschickt am 11-Feb-2009

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Niemand kann dem EU-Kommissar f�r Binnenmarkt und Dienstleistungen Charlie McCreevy �bertriebene Feinf�hligkeit vorwerfen, doch seine neuesten Eskapaden sprengen alle Dimensionen. "Kommissar McCreevy und die europ�ischen Private Equity Fonds f�hren ein geschickt geplantes Man�ver durch, um eine eindeutige Forderung nach einer verbindlichen Regulierung der �bernahmebranche zu umgehen, die eine �berw�ltigende Mehrheit des Europ�ischen Parlaments im vorigen Jahr erhoben hat", erkl�rte IUL-Generalsekret�r Ron Oswald. "McCreevy und die Fonds wollen anstelle verbindlicher Gesetze zahnlose 'Verhaltensordnungen' einschmuggeln. Wenn das nicht vereitelt wird, w�re es ein krasser Fall von Demokratieaushebelung und w�rde �hnliche Bem�hungen in Nordamerika und anderen Regionen erleichtern, w�hrend gleichzeitig immer nachdr�cklicher gefordert wird, das Vorgehen von Private Equity umfassend zu regulieren".

2006 beauftragte McCreevy eine Gruppe von Private Equity Fonds und Investmentbankern mit der Erstellung eines Grundlagen"berichts" �ber die "Entwicklung von Private Equity in Europa" f�r ein Wei�papier der Europ�ischen Kommission (der von den Fonds und den Bankern anschlie�end nat�rlich "begr��t" wurde).

Im Oktober 2008 nahm das Europ�ische Parlament (mit einer partei�bergreifenden Mehrheit von 526 gegen 82 Stimmen) den Bericht der Partei der Europ�ischen Sozialisten (PES) �ber eine gesetzliche Regulierung von Private Equity und Hedgefonds an. Die normale Folge w�re sodann gewesen, dass die Kommission konkrete Gesetzesvorschl�ge ausarbeitet. McCreevy jedoch ist jetzt dabei, die Abstimmung des Parlaments zu umgehen, indem er den Private Equity Firmen verspricht, sie k�nnten eine Regulierung vermeiden, wenn sie ... Verhaltensordnungen ann�hmen. Genau dies sagte er auf einer j�ngsten Rede vor der British Venture Capital Association (BVCA) und offensichtlich verfolgt er diesen Gedanken nunmehr auch auf EU-Ebene.

"Die IUL und Gewerkschaften in aller Welt haben umfangreiche Erfahrungen mit Verhaltensordnungen der Konzerne", sagt Oswald. "Sie haben stets dazu gedient, die Annahme neuer oder die wirksame Anwendung bestehender bindender Gesetze und Rechtsvorschriften zu umgehen".

Im Fall von Private Equity ist die Mutter aller Verhaltensordnungen jene, die im Bericht 2007 der britischen Walker-Kommission formuliert wurde und damals von den Gewerkschaften als unzul�nglicher Ersatz f�r bindende Rechtsvorschriften rundweg abgelehnt wurde. Sollte McCreevy die Absicht haben, sich erneut an die European Venture Capital Association zu wenden, damit diese seinen Angriff gegen die Demokratie abschirmt, k�nnte der Leitartikel der Financial Times vom 1. Februar n�tzliche Hinweise geben, den der BVCA-Vorsitzende Simon (nicht Sir David) Walker verfasst hat. Nach den Worten Walkers m�ssen die �bernahmefonds den "Weg zu mehr Transparenz" und "dem System der Selbstregulierung weitergehen", den der Bericht 2007 aufgezeigt hat. Dieser Bericht sieht aber, genau genommen, keinerlei Regulierung vor, sondern befasst sich ausschlie�lich mit einer begrenzten Zahl von Offenlegungen in einer begrenzten Zahl von F�llen f�r eine begrenzte Zahl von Fonds - und gilt nur f�r ganze 56 der rund 1 300 britischen Portfoliounternehmen von Private Equity Fonds. Die "Offenlegungen" sind dar�ber hinaus weitgehend nutzlos. Eine rasche Suche im Internet w�rde Arbeitnehmern und allen B�rgern, die sich f�r die Auswirkungen von Private Equity auf Investitionen, Besch�ftigung und Staatsfinanzen interessieren, mehr und aussagekr�ftigere Informationen liefern.

Permira, die gr��te �bernahmegruppe Europas, bahnte mit der Ver�ffentlichung des ersten im Sinne der Walker-Kommission erstellten Jahresberichts in Gro�britannien den "Weg zu mehr Transparenz". Und was hat die Gruppe darin beispielsweise �ber ihr Wirken beim d�nischen Fernmeldeunternehmen TDC zu sagen, das sie 2005 als Mitglied eines Private Equity Konsortiums von f�nf der weltweit gr��ten �bernahmefonds im Rahmen einer Transaktion �bernommen hatte, die zu 80% mit Fremdmitteln finanziert wurde und die Schuldenquote des �bernommenen Unternehmens auf 90% hochschraubte. Danach pl�nderten Permira und die anderen Fonds die Barmittelreserven, sch�tteten den Gegenwert der H�lfte der Aktiva des Unternehmens an die neuen Besitzer und die F�hrungskr�fte aus und beseitigten Tausende von Arbeitspl�tzen:

TDC hat in den letzten beiden Jahren wesentliche Ver�nderungen vorgenommen, darunter: i) eine betr�chtliche St�rkung des Managementteams; ii) die erfolgreiche Konzentration auf das d�nische Kerngesch�ft durch das Absto�en nicht synergief�rdernder Unternehmensteile au�erhalb der Nordischen L�nder (Bite, One, Talkline); und iii) die Umstrukturierung des Unternehmens zu einer kundenorientierten Organisation. Dar�ber hinaus hat TDC eine neue Unternehmensstrategie entwickelt und ein umfassendes Programm zur Kostensenkung und Verminderung komplexer Vorg�nge in Angriff genommen, das zur Zeit umgesetzt wird.

Das ist es also. Es gibt das typische Bild eines Mobiltelefons, die Namen der F�hrungskr�fte werden genannt und der Umfang der Gesamtinvestitionen, aber es wird nichts gesagt �ber das, was wirklich wichtig ist: die Schulden, wie sie finanziert wurden, wer das Unternehmen besitzt, die Entwicklung des Verschuldungsgrades, wie man das Geld herausgezogen hat, die (bestehenden oder nicht bestehenden) Steuerverbindlichkeiten und so weiter. Es gibt keinerlei Informationen, die f�r eine Gewerkschaft f�r Kollektivverhandlungszwecke von Bedeutung w�ren oder auch nur f�r jemanden, der sich ein Bild �ber die Auswirkungen der �bernahme auf das Unternehmen, die Branche oder das gesamte Land machen m�chte (kaum �berraschend geh�rt TDC nicht mehr zu den Marktf�hrern im Bereich der Telekommunikation).

2004 kaufte Permira von Ahold den spanischen Einzelh�ndler DinoSol f�r 895 Millionen Euro. Um ihr Geld rasch wiederzubekommen, startete die Gruppe im Januar 2005 ein Programm "Verkaufen und Zur�ckmieten", das f�r sie Barmittelzufl�sse bedeutete, aber die Bilanz des Unternehmens mit neuen Schulden belastete, nahm im November 2006 neue Schulden auf und entzog dem Unternehmen im Februar 2007 weiteres Kapital in Form einer Dividendenrekapitalisierung in H�he von 488 Millionen Euro. Diese Ma�nahmen bestimmten die Entwicklung von DinoSol. Was aber erz�hlt uns der Bericht?

Das Unternehmen konzentriert sich auf die Verteidigung und St�rkung seiner Position auf seinem Kernmarkt Kanarische Inseln und verbessert gleichzeitig die Ertr�ge seines Gesch�fts auf dem Festland, indem sowohl die Einzugsbereiche erweitert als auch die Gewinne pro Kunde gesteigert werden.

Der "Weg zu mehr Transparenz" geht weiter durch das gesamte Portfolio, liefert aber keinerlei Hinweis darauf, warum viele der Unternehmen in diesem Portfolio unter den ihnen aufgeb�rdeten Schulden �chzen und die H�he ihrer Schulden die "Schmerzgrenze" erreicht, die m�glicherweise eine Vorstufe der Insolvenz bedeutet (die dann nat�rlich auf "ung�nstige Umst�nde" zur�ckgef�hrt werden kann und auf die man keinerlei Einfluss hatte ...). Es ist, als l�se man eine Geschichte Europas in der ersten H�lfte des 20. Jahrhunderts, die die beiden Weltkriege und eine alles zerst�rende Depression in wenigen Zeilen zusammenfasst, mit denen gleichzeitig die erfolgreichen Bem�hungen um eine "Konzentration auf das Kerngesch�ft" gefeiert werden. Mit Spannung wartet man, wie im n�chsten Bericht das finanzielle Massaker bei Pro Sieben, dem gr��ten Fernsehunternehmen Europas, behandelt wird, aus dem Permira und KKR im Sommer vorigen Jahres Dividenden in H�he von 270 Millionen Euro herausquetschten, als das Unternehmen eine Schuldenlast von 4 Milliarden Euro zu schultern hatte und immer tiefer in die roten Zahlen geriet.

Ist das der "neue Ton", den McCreevy nach den Worten Simon Walkers Private Equity als "Vorgehen" nahelegen will, um ihm eine "leuchtende Zukunft" zu sichern?

"Die Kernschmelze der Finanzm�rkte, nicht aber die "Selbstregulierung" der l�cherlichen 'Walker-Verhaltensordnung' hat der Pl�nderung mit Hilfe von Krediten vor�bergehend ein Ende gemacht", meint Oswald. "Was Walker und McCreevy in Bezug auf die Offenlegung vorschlagen, entspricht nicht im Entferntesten der Erf�llung bereits bestehender Vorschriften, zu deren Einhaltung die Fonds verpflichtet werden sollten - und die Offenlegung ist nur ein kleiner, wenn auch bedeutsamer Teil des dringend ben�tigten Regulierungsprogramms".

Die Gewerkschaften haben nicht gen�gend deutlich gemacht, dass geltende Rechtsurkunden, darunter �bereinkommen der IAO (die internationales Vertragsrecht darstellen), die OECD-Richtlinien f�r multinationale Unternehmen und die Dreigliedrige Erkl�rung der IAO �ber multinationale Unternehmen, strenge Offenlegungsvorschriften in Bezug auf Kollektivverhandlungen enthalten. Sie alle machen deutlich, dass Arbeitnehmer Zugang zu umfassenden und vollst�ndigen Informationen �ber die wirtschaftliche Situation des jeweiligen Unternehmens haben m�ssen, damit "sinnvolle" Verhandlungen stattfinden k�nnen. Die Gewerkschaften, die mit einem Private Equity Portfoliounternehmen verhandeln, diese Verhandlungen im wesentlichen mit einem weitgehend fremdfinanzierten Finanzgebilde f�hren, kann dies nur die vollst�ndige Offenlegung der Mechanismen der Fremdfinanzierung bedeuten, und zwar �ber die Informationen hinaus, die Gewerkschaften seit je in Bezug auf Ertr�ge, Investitionen, Produktivit�t usw. verlangt haben. Michael Gordon von Fidelity International stellte hierzu in einem Leitartikel der Financial Times vom 31. M�rz 2008 fest: "Bei Private Equity, wie wir es heute kennen, geht es nur um Schulden - mit allem Drum und Dran".