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IUL
Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit



Milchkontaminierung durch Melamin macht die Realit�t 'globaler Marken' sichtbar

An die IUL Web-Site geschickt am 29-Sep-2008

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Dem Skandal um melaminverseuchte Milch liegt eine schwelende Krise im Zusammenhang mit Konzernmarken zugrunde. Einer der Gr�nde f�r die intensive F�rderung "globaler" Marken lag darin, dass die Verbraucher nicht wissen w�rden (und schlie�lich auch nicht mehr wissen wollten), wo die Produkte hergestellt werden. Angesichts eines riesigen Lebensmittelskandals, der den Tod von mindestens 4 Babys in China und die Erkrankung tausender weiterer verursacht hat, beginnen die Verbraucher aber nunmehr zu fragen, warum ihre beliebten "lokalen" Eiscremes, Biskuits und Milchprodukte im Ausland hergestellt werden.

Die gro�en transnationalen Lebensmittelunternehmen veranstalteten in den 1980er Jahren eine wahre Orgie der Fusionen und �bernahmen, wobei sie lokale Marken aufkauften und immer gr��ere Marktanteile eroberten. Dieser �bernahmeboom hielt bis in die erste H�lfte der 1990er Jahre an und wurde von einer massiven Verlagerung der Finanzmittel der Unternehmen begleitet, um diese Marken zu propagieren, ein Firmenimage aufzubauen und Kundentreue zu f�rdern. Bis dahin hatten Unternehmen wie Nestl�, Unilever und Kraft riesige Markenportfolios geschaffen und bei vielen Lebensmittelerzeugnissen die gr��ten Marktanteile erobert - wobei diese Erzeugnisse von Speise�l bis zu Eiscreme, Pulverkaffee und Biskuits reichten. Die Folge war, dass in einigen L�ndern Untersuchungen gegen diese Unternehmen wegen Monopolpraktiken und Preisabsprachen eingeleitet wurden.

Ende der 1990er Jahre wurde die neue Philosophie der Finanzialisierung entwickelt. Die Marken selbst wurden zu wertvollen Finanzposten, und ihr Wert konnte mit Hilfe einer Mischung aus Wall Street Zauberei und aggressivem Marketing, statt besserer Herstellungsverfahren, in die H�he getrieben werden. So kam es zu einer irrationalen Schwerpunktverlagerung auf Rationalisierungsma�nahmen: Personalk�rzungen, Umstrukturierungen und Konsolidierung. Weniger ist mehr. Auf einmal waren weniger Marken besser. Wenn man sich auf einige wenige globale Marken im Ausland konzentrierte, w�rde der Finanzwert dieser Marken explodieren. Nestl� und Unilever nannten diese Marken ihre "Milliarden Dollar-Marken", w�hrend Kraft die Strategie verfolgte, "schrumpfen, um zu wachsen" - und 2008 nur noch zehn globale "starke Marken" im Angebot hatte.

Im Zuge der Konzentration auf "globale Marken" wurden zahlreiche popul�re Marken, die in den 1980er und 1990er Jahren erworben worden waren, wieder verkauft, oder sie verschwanden ganz einfach. Mit ihnen verschwanden auch lokale Arbeitspl�tze, da Betriebe geschlossen, zusammengelegt oder verkauft wurden. In einigen F�llen war die globale Marke blo� das Logo neben dem Namen der Lokalmarke ... dann verschwand dieser Name und damit verschwanden auch die Arbeitspl�tze. Das Eiscremelogo "Heartbrand" von Unilever beispielsweise ist in der ganzen Welt gleich, doch wird das Eis in Gro�britannien und in der Region Asien/Pazifik als "Walls" und andernorts als Selecta (Philippinen), Kwality (Indien), Algida (Italien), Langnese (Deutschland) und Kibon (Brasilien) vertrieben.

Bei globalen M�rkten spielten die Produktionsstandorte keine Rolle mehr. Die Produktion wurde ins Ausland verlagert (und immer wieder an neue Standorte), w�hrend mit Hilfe eines aggressiven Markenmarketings daf�r Sorge getragen wurde, dass die Verbraucher nach wie vor glaubten, sie kauften ein lokales Produkt mit einem globalen Namen. Die tiefgek�hlten Fischst�bchen einer globalen Marke konnten dabei tausende von Kilometern zur�cklegen, um �ber die Filetierung in China die Supermarktregale in aller Welt zu erreichen, ohne dass irgendwelche Fragen gestellt wurden.

Die Bedeutung der globalen Marken f�r Unternehmen wie Nestl�, Unilever und Kraft beruht auf der M�glichkeit, die Produktion in L�nder wie China zu verlagern, w�hrend die treuen Kunden weiterhin glauben, es handle sich um das gleiche Erzeugnis. Gleichzeitig konnten sich die Unternehmen ihrer "gr�nen" Testate und ihrer Bem�hungen gegen die globale Erw�rmung r�hmen, obwohl sie ihre Produkte mit Tausenden zus�tzlicher "food miles" belasteten. Hinter der vertrauten Lokalmarke steht ein f�rsorgliches und verantwortungsbewusstes globales Unternehmen ...

Markentreue Verbraucher glaubten auch weiterhin, dass ihre Lieblingsprodukte von Kraft, Nestl� oder Unilever auch von ... Kraft, Nestl� oder Unilever produziert w�rden. Der Trick mit den globalen Marken lieferte jedoch diesen Unternehmen einen willkommenen Deckmantel f�r die Auslagerung eines gro�en Teils ihrer Produktion an Dritte, die als "Kontraktpacker" firmierten, um von diesen ihre Markenerzeugnisse herstellen zu lassen. So wurde beispielsweise eines der melaminverseuchten Purina Haustierfutterprodukte von Nestl�, die im vorigen Jahr in Nordamerika zur�ckgerufen wurden, nachdem tausende Haustiere erkrankt oder verendet waren, von einem solchen nordamerikanischen "Kontraktpacker" hergestellt.

Von Verbrauchern, denen die Realit�t des Subunternehmerwesens bewusst war, wurde vorausgesetzt, dass sie sich mit der vermeintlichen strengen Qualit�tskontrolle durch die Markeneigner zufrieden geben w�rden. Doch die von finanziellen Erw�gungen bestimmte Entwicklung globaler Marken f�rderte nur eine Flutwelle der Vergelegentlichung der Arbeit und des Einsatzes von Subunternehmen innerhalb der eigenen Betriebsbereiche der Unternehmen. Selbst das f�r die Qualit�tskontrolle zust�ndige Personal wird als Gelegenheitsarbeitnehmer �ber Leiharbeitsagenturen eingestellt und besch�ftigt. Und da diese keine formellen Arbeitnehmer des Unternehmens sind, k�nnen sie auch nicht einer Gewerkschaft beitreten.

Die Milchverunreinigung durch Melamin in China hat nunmehr die Schw�chen dieser marktbeherrschenden globalen Marken aufgezeigt. �berall in der Region Asien/Pazifik stellen die Menschen pl�tzlich fest, dass ihre Markenartikel - Biskuits, Eiscreme und Milchprodukte - in China hergestellt werden. Wann ist das geschehen? Und wie lange wird es dauern, bis diese Produkte ihren Weg in die Regale der �brigen Welt finden - falls dies nicht bereits geschehen ist? Unterdessen beteuern die Unternehmen mit gr��tem Eifer, dass Produkte, die nicht in China hergestellt wurden, sicher sind. Aber wer achtet nicht nur auf die globale Marke, sondern auch auf das kleingedruckte "hergestellt in ..."? Zu sp�t. Unternehmen wie Nestl� und Unilever haben die Bedeutung von "hergestellt in" ...? schon vor langer Zeit verschleiert, indem sie es auf alles M�gliche, von der Verpackung bis zum Verpackungsaufdruck, bezogen.

Selbst die Marken von Unternehmen wie Fonterra und Friesland (zwei Molkereigenossenschaften, die global expandierten) k�nnten ernsten Schaden nehmen. Die Dutch Lady Milchprodukte von Friesland wurden in S�dostasien aus den Supermarktregalen genommen, nachdem in Singapur festgestellt worden war, dass sie verunreinigt waren. Statt Dutch Lady aus dem nahegelegenen Malaysia zu importieren (wo es strenge Qualit�tskontrollen gibt und die Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert sind), importierte Friesland aus seinen Betrieben in China, an denen es nur eine Minderheitsbeteiligung h�lt. Fonterra bem�ht sich unterdessen zu erkl�ren, warum Sunlu (vom Partner seines Gemeinschaftsunternehmens in China) und nicht das in Neuseeland hergestellte Anmum (mit strengen Qualit�tskontrollen und gewerkschaftlich organisiert) mit Melamin verunreinigt ist ....

Je mehr sich der Kontaminierungsskandal ausweitet, w�chst die Wahrscheinlichkeit, dass Verbraucher die globale Marke ablehnen, unabh�ngig davon, ob sie Milch oder Milchpulver aus China enth�lt. Die globale Marke wird besch�digt. Verbraucher werden jetzt Oreo (die globale Spitzenmarke von Kraft, die vor kurzem aus den Regalen in Singapur entfernt wurde, nachdem darin Melamin festgestellt worden war), Dutch Lady von Friesland und Dreyer-Eiscreme von Nestl� mit Melamin in Verbindung bringen. Durch teures und aggressives Marketing l�sst sich dies vielleicht kompensieren. Vielleicht.

Die finanziellen Konsequenzen von R�ckrufen und Absatzverlusten (sowie m�glichen Prozessen) und neuen Marketingkampagnen werden vom ganzen Konzern zu tragen sein und nicht auf die Betriebe in China beschr�nkt bleiben. Auch die Arbeitnehmer in anderen L�ndern werden somit Kostensenkungen und Umstrukturierungen zu sp�ren bekommen.