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IUL
Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit



Konzentration, Kartelle und Freibeuter des Freihandels

An die IUL Web-Site geschickt am 21-Jul-2008

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Die Europ�ische Kommission hat am Donnerstag im Zuge ihres Vorgehens gegen Handels- und Vertriebsfirmen f�r Getreide und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse zur Herstellung von Lebensmitteln und Tierfutter B�ros der Agrarhandelsriesen Cargill Inc und Bunge Ltd in zwei EU-L�ndern durchsucht. Die Razzien erfolgten zu einem Zeitpunkt, da die Getreidepreise angesichts hoher Nachfrage, aufgetretener Produktionsprobleme und der Verwendung von Getreide zur Erzeugung von Biotreibstoffen, Faktoren, die s�mtlich zu einem Anstieg der Lebensmittelpreise beitragen, Rekordh�hen erreicht haben." Die Kommission hat Grund zu der Annahme, dass die betroffenen Unternehmen (EU) ... Vorschriften �ber Kartelle und restriktive Gesch�ftspraktiken verletzt haben k�nnten", hie� es in ihrer betreffenden Erkl�rung.
Reuters, 11. Juli

Der landwirtschaftliche Mischkonzern Cargill gab am Montag bekannt, dass sein Gewinn im dritten Quartal um 86% auf 1,03 Milliarden Dollar gestiegen sei, wozu vor allem das starke Wachstum der Sparten Rohstoffbeschaffung und Finanzierungsgesch�fte beigetragen h�tten. Die gr��ten Gewinne seien im Sektor Einkauf und Verarbeitung erzielt worden, der Grundnahrungsmittel verarbeite und vertreibe.
Association Press, 14. April 2008

"Mehr Handel bedeutet ein stabileres und sichereres globales Ern�hrungssystem. Handel f�rdert Wohlstand und Wohlstand f�rdert Frieden."
Cargill-Vizepr�sident Rich Torres am 23. Mai 2008 auf einer Fachmesse in Chicago



Der riesige Agro-Lebensmittelkonzern Cargill, dessen ehemaliger Vizepr�sident den urspr�nglichen Text des WTO-Landwirtschaftsabkommens verfasste, hat sich nie gescheut, mit Hilfe seiner Marktposition Preise (oft gleichzeitig) nach oben und unten zu manipulieren, um auf jeder Stufe der Ern�hrungskette maximale Wertsteigerungen zu erzielen, und dabei stets das Evangelium des "freien Handels" gepredigt. Die j�ngsten Razzien der EU in seinen europ�ischen B�ros kamen deshalb keineswegs �berraschend.

Schlie�lich war Cargill das Unternehmen, das 1937 wegen Manipulation des Maismarktes von der Chicagoer Terminb�rse verbannt wurde und sich sp�ter in einer �hnlichen Situation im Zusammenhang mit Weizen (1963) und Sojabohnen (1973) befand. 2004 zahlte Cargill 24 Millionen US-Dollar zur Beilegung einer Sammelklage von mehr als einem Dutzend gro�er Agrolebensmittelfirmen (von denen nur wenige ihre beherrschende Stellung auf ihren eigenen M�rkten nicht missbrauchen) wegen globaler Kartellvereinbarungen zur Manipulierung des Milliarden Dollar schweren Weltmarktes f�r Maisst�rkesirup.

In den 1970er Jahren nutzte Cargill die au�ergew�hnliche Volatilit�t der globalen Weizenm�rkte - die es zum Teil selbst verursacht hatte - um seinen Umsatz von 2,2 Milliarden Dollar im Jahr 1971 innerhalb von nur zehn Jahren auf 28,5 Milliarden Dollar zu steigern. Die erzielten Gewinne dienten zur Konsolidierung der dominierenden Stellung des Unternehmens im Handels- und Verarbeitungsbereich, zur Expansion in neue Bereiche wie Fleisch und Fertiglebensmittel und zum Ausbau der Sparte finanzielle Dienstleistungen. In der zweiten H�lfte der 1990er Jahre betrieb Cargill intensive Lobbyarbeit, um die Preisst�tzungssysteme f�r US-amerikanische Getreidefarmer zu Fall zu bringen, wodurch viele dieser Farmer aufgrund des �berangebots und der niedrigen Preise zur Aufgabe gezwungen wurden, w�hrend das Unternehmen gleichzeitig an den Ausfuhrsubventionen verdiente, mit deren Hilfe neue M�rkte durch Dumpingpreise erobert werden sollten.

2004 verkaufte Cargill seine brasilianischen Orangensaftbetriebe an zwei Unternehmen, von denen Cutrale heute der globale Marktf�hrer ist und f�r fast ein Drittel des gesamten in der Welt konsumierten Orangensaftes das Konzentrat liefert. Mehr als ein Jahrzehnt lang wurden die brasilianischen Orangenverarbeitungsunternehmen wegen Absprachen zur Senkung der Erzeugerpreise (und wiederholter Verletzung des brasilianischen Arbeitsrechtes) gerichtlich verfolgt. 2007 leiteten US-Beh�rden eine Untersuchung wegen des vermuteten Preisdumpings bei in die USA eingef�hrtem brasilianischen Orangensaftkonzentrat ein.

Bei jeder Gelegenheit haben Cargill und die anderen dominierenden Handels- und Verarbeitungsunternehmen ihre Marktpositionen genutzt, um von der Volatilit�t der Preise zu profitieren und diese sogar zu bewirken. Ihre konzentrierte Einkaufsmacht bietet ihnen die M�glichkeit, mit Hilfe globaler Arbitragegesch�fte, formeller und informeller Absprachen und "strategischer Partnerschaften" mit anderen TNKs sowie politischer Lobbyarbeit und eines globalen Handels- und Investitionssystems, das ihre Macht �ber Arbeitnehmer, Farmer und Verbraucher noch verst�rkt, Preise nach Belieben nach oben und unten zu treiben. Die Ern�hrungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen formuliert dies in ihrer World Commodity Review f�r 2007-2008 wie folgt: "Die Pr�senz [transnationaler Konzerne] kann auch zu einer Verminderung des Wettbewerbs f�hren, mit negativen Folgen f�r Verbraucher und inl�ndische Firmen ... Im Zeitraum 1996-2002 wurde eine Reihe internationaler Kartelle f�r Lebensmittel- und Tierfutterzutaten aufgedeckt, wobei es jedoch in einigen F�llen sogar bereits seit den 1980er Jahren illegale Preisabsprachen gegeben hatte." Dwayne Andreas, der ehemalige Chef von ADM, w�hlte eine noch deutlichere Formulierung (zu einem Zeitpunkt, da gegen das Unternehmen ebenfalls eine Untersuchung wegen der Manipulierung des Preises von Maisst�rkesirup mit erh�htem Fruchtzuckergehalt lief), als er sagte: "Nicht ein Korn Getreide wird auf dem freien Markt verkauft. Nicht eines! Die einzige Stelle, an der ein freier Markt anzutreffen ist, sind Politikerreden". Bunge, das andere Unternehmen, dem die j�ngsten EU-Razzien galten, konnte seinen Gewinn im ersten Quartal 2008 um 77% steigern, vor allem mit Hilfe der riesigen Subventionen, die an die Biodiesel-Branche f�r ihre sozial und �kologisch unsinnige �lsaatverarbeitung gezahlt werden. Auch dieses Unternehmen k�nnte etwas �ber den "freien Handel" erz�hlen, der f�r den j�ngsten Quantensprung der Zahl der Hungernden in der Welt verantwortlich ist.

Politiker und Lobbyisten, die sich f�r den raschen Abschluss der Doha-"Entwicklungsrunde" der WTO als L�sung f�r den Welthunger einsetzen, sind Komplizen dieses beispiellosen Zynismus. Auch die Hochrangige Arbeitsgruppe der UNO zur Globalen Ern�hrungskrise spricht sich f�r die Agenda der Doha-Runde als wesentliches Element des Rezepts zur Beseitigung des Hungers aus. Die Arbeitsgruppe bem�ht sich, eine Funktion f�r strategische Getreidereserven zu bestimmen, ohne dabei die Macht der transnationalen Konzerne zu erw�hnen, solche Reserven in all ihren realen und (durch die Finanzm�rkte geschaffenen) virtuellen Formen zu schlucken, wiederaufzustocken, zu manipulieren und zu handeln. Die volle WTO-Agenda umzusetzen, w�rde die Kontrolle der Konzerne �ber die Nahrungsmittelvorr�te der Welt weiter verst�rken.

Weder der freie Handel noch die freie Herrschaft der Cargills dieser Welt werden den Planeten ern�hren. Die L�sung f�r den Massenhunger beginnt mit dem Aufzeigen, dem Verstehen und der Ver�nderung der Machtmechanismen, die das derzeitige globale Ern�hrungsystem pr�gen.