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Illusion, Realität und PR-Wirbel: Davos, fremdfinanzierte Übernahmen und Arbeitsplatzvernichtung

An die IUL Web-Site geschickt am 07-Feb-2008

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Vor einem Hintergrund, den Finanzkrisen und das Gespenst einer weltweiten Rezession prägen, hat das diesjährige Weltwirtschaftsforum in Davos eine Untersuchung über die Auswirkungen von Übernahmen durch privates Beteiligungskapital veröffentlicht, die sich zum Teil auch ihren Beschäftigungskonsequenzen widmet. Während sich die Teilnehmer von explodierenden Lebensmittelpreisen und weltweiten Hungerrevolten bei der Podiumsdiskussion über "Nahrungsmittel, Kultur und Zivilisation" (an der auch einige prominente Küchenchefs zu Wort kamen) ablenken lassen oder über das Thema "Glück - wieviel kann man vertragen?" meditieren konnten, hatte die Presseabteilung des Forums die heiklere Aufgabe zu lösen, die Schlussfolgerungen der Untersuchung über Private Equity zu präsentieren. Dabei hoffte man offensichtlich, dass sich hierfür nur wenige Leute wirklich interessieren würden.

Die Untersuchung verdient jedoch, ernster genommen und tatsächlich sorgfältig gelesen zu werden. Der unter der Verantwortung von Professor Josh Lerner von der Harvard Business School verfasste Abschnitt über Beschäftigungskonsequenzen bedeutet einen klaren Bruch mit den von den Interessensverbänden der Private Equity Fonds in Auftrag gegebenen "Studien" und "Erhebungen", die sich stets auf zweifelhafte Interpretationen von den Mitgliedern dieser Verbände gelieferter höchst selektiver Daten stützten. Der Beschäftigungsabschnitt der Forumsuntersuchung dagegen ist seriös, wenn man von der seinen Wert (in hohem Maße) vermindernden Tatsache absieht, dass die herangezogenen Daten ausschließlich aus den Vereinigten Staaten stammen, während fremdfinanzierte Übernahmen seit langem eine globale Dimension angenommen haben. Im Rahmen der Untersuchung wurden rund 5 000 Firmen mit einem Private Equity Hintergrund, deren Einflussbereich sich auf 300 000 Unternehmen erstreckte, mit einer fast dreimal so großen, nicht von privatem Beteiligungskapital kontrollierten Gruppe von Firmen ähnlicher Größenordnungen, Branchen und Altersstufen verglichen, um Beschäftigungsveränderungen über einen Fünfjahreszeitraum vor und nach einer fremdfinanzierten Übernahme zu ermitteln.

David Hall von der Business School der britischen Universität Greenwich, der bereits früher die Behauptungen der Private Equity Lobby, Arbeitsplätze zu schaffen, überprüft und als wertlos klassifiziert hatte, hat sich auch eingehend mit der Untersuchung des Weltwirtschaftsforums befasst und wird seine Ergebnisse im Rahmen der Forschungsarbeiten veröffentlichen, die er zur Zeit für den Europäischen Gewerkschaftsverband für den Öffentlichen Dienst durchführt. Hall hält den Forumsbericht für "die solideste und umfassendste Untersuchung der Beschäftigungsauswirkungen von Private Equity" - weist dabei aber gleichzeitig auf ein krasses Missverhältnis zwischen seinen Aussagen und Schlussfolgerungen einerseits und dem vom Weltwirtschaftsforum entfachten PR-Wirbel und den weiteren Abenteuern des Berichts auf seinem Weg durch die internationale Presse andererseits hin.
In der Pressemitteilung des Weltwirtschaftsforums heißt es: "Die Beschäftigung verläuft in den Jahren vor und nach einer Übernahme in einer J-Kurve". Hall weist darauf hin, dass in der Untersuchung nicht von einer J-Kurve die Rede ist, und dass die Ergebnisse auch nicht einer J-Kurve gleichen. In der Pressemitteilung wird überhaupt nicht erwähnt, dass nach den Ergebnissen der Untersuchung die Zahl der Beschäftigten fünf Jahre nach einer Übernahme durch Private Equity 10% niedriger ist. In der Pressemitteilung heißt es ferner, dass "Firmen im Besitz von Private Equity zwei Jahre nach der Übernahme 6% mehr neue Arbeitsplätze schaffen als die Unternehmen in der Vergleichsgruppe" - wohingegen unerwähnt bleibt, dass die durch Schließungen verursachten Arbeitsplatzverluste bei Private Equity Firmen 8,6% höher sind! Die PR-Spezialisten haben also die Ergebnisse der Untersuchung verfälscht und weiteren Verfälschungen Tür und Tor geöffnet ... wobei der US-amerikanische Private Equity Council (PEC) den Anfang machte, als er in seiner eigenen Pressemitteilung schrieb: "Die Untersuchungen zeigen, dass Private Equity Firmen Arbeitsplätze retten und neue Arbeitsplätze schaffen". Für die BBC bedeutete das: "Von Private Equity aufgekaufte Unternehmen vernichten nicht in großem Umfang Arbeitsplätze, wie eine Untersuchung zeigt". Die International Herald Tribune gelangte mit viel Phantasie zu der Auffassung, dass "Unternehmen im Besitz von Private Equity im Schnitt etwa einen Prozentpunkt mehr Arbeitsplätze beseitigen als vergleichbare Unternehmen", und zitierte drei Tage später den PEC, wonach dem Bericht zufolge Private Equity 8,4% mehr Arbeitsplätze schaffe als andere Investoren!

Die Untersuchung stellte ferner fest, dass - ganz im Gegensatz zu den Medienberichten - Firmen im Besitz von Private Equity mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit Konkurs anmelden wie Publikumsgesellschaften. Die höchsten Konkursraten wurden bei fremdfinanzierten Übernahmen in Großbritannien und in den USA verzeichnet.

Wie lauten Halls Schlussfolgerungen? Die Untersuchung des Weltwirtschaftsforums "beweist eindeutig, dass Übernahmen durch Private Equity negative Beschäftigungskonsequenzen haben. Sie untermauert sowohl die Feststellungen wie auch die Kritiken der Gewerkschaften. Sie liefert weiterhin interessante Daten über die Auswirkungen von Private Equity, z.B. die Verdoppelung der Beschäftigungsunsicherheit".

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