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Pinochet: Der Hund ist tot, aber die Tollwut bleibt

An die IUL Web-Site geschickt am 18-Dec-2006

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Der Exdiktator Augusto Pinochet hat viel von dem erreicht, was er sich urspr�nglich vorgenommen hatte. Doch mit seinem Tod aus nat�rlichen Ursachen in einem Krankenhausbett und in hohem Alter, umgeben von seinen Lieben und mit einem (wenn auch kleinen) Fanclub, der ihn auf den Stra�en betrauerte, hat er sich zweifellos auch noch seinen letzten und makabersten Traum erf�llen k�nnen.

Die Tatsachen sind mehr als reichlich dokumentiert - die Morde, die F�lle der "Verschwundenen", die Folterungen und die anderen Menschenrechtsverletzungen ebenso wie das durch Mord, Raub, Waffen- und Drogenhandel angeh�ufte schmutzige Verm�gen, zu dem noch das kaum verschleierte Entgelt f�r seine Ergebenheit gegen�ber den gro�en globalen M�chten und f�r den Verrat an seinem eigenen Volk und seinen Nachbarv�lkern kam.

Die "'�ngstlichkeit" des chilenischen Justizsystems im Fall Pinochet hinterl�sst einen �blen Nachgeschmack. Die Behandlung Pinochets stand im krassen Gegensatz zu der energischen Haltung, die in anderen F�llen demonstriert wurde, beispielsweise im Fall der drei uruguayanischen Offiziere, die auf Befehl Pinochets den Chemiker Eugenio Berr�os entf�hrten und in Uruguay, wo Demokratie herrschte, gefangen hielten. Der Leichnam Berr�os' wurde sp�ter, vergraben an einem Strand in Uruguay, gefunden. Diese drei Offiziere wurden nach Chile ausgeliefert, wo sie angeklagt und auf Kaution freigelassen wurden, ohne die Erlaubnis zu erhalten, das Land wieder zu verlassen. Der General jedoch durfte weiter lachen.

Pinochet war kein b�ser Geist, sondern vielmehr das raffinierteste Produkt einer Armee, die von Anfang an nach reinsten und strengsten preu�ischen Traditionen gez�chtet worden war, unterf�ttert mit deutlichen Dosen eines nazistischen und katholischen Fundamentalismus. Pinochet und sein Regime machten Chile zu einem riesigen Labor f�r die Praktizierung der entsetzlichsten Theorien der Chicago Boys. Diese m�rderischen �konomen fanden in dem Schl�chter von Santiago den perfekten Vollstrecker, der die Grundlagen eines Wirtschaftsmodells schuf, das mit einigen Abweichungen noch heute besteht.

Pinochet kam auf der Welle des Kalten Krieges und ausger�stet von der ITT Corporation zur Macht; seine Aufgabe war es, das, was damals eines der bestorganisierten und politisch aktivsten und aufgekl�rtesten V�lker Lateinamerikas war, auszul�schen. Die Grausamkeit und Brutalit�t der Unterdr�ckung entsprachen der Angst, den diese Volksorganisationen bei den herrschenden Klassen des Landes und der Welt verursacht hatten.

Unter seiner Diktatur war die Unterdr�ckung der Arbeiterbewegung total: keine Gewerkschaften mehr, keine Rede von Arbeitnehmerrechten, keine Tarifvereinbarungen, K�rzung der L�hne auf blo�e Almosen und eine Kugel f�r jeden, der zu protestieren wagte. Das "Chilenische Modell" wurde nicht nur auf 30 000 Verschwundenen errichtet, sondern auch auf einem verstummten, bedrohten, �berwachten, verfolgten und hungernden Volk.

Pinochet und seine Henker betrieben radikaler als jeder andere die Entwicklung eines Regimes, das den Unternehmen keinerlei Grenzen setzte. Es dauerte nicht lange, bis die transnationalen Konzerne die gewaltigen Vorteile erkannten, die ihnen dieser sich wie eine Besatzungsarmee verhaltende nationale Milit�rkomplex bot, und unter gro�em Get�se gr�ndeten sie in Chile ihre Niederlassungen. Die Fundamente dieses Systems sind noch weithin intakt. Die politische und rechtliche Straflosigkeit, die von Pinochet und den Klassen, die ihn unterst�tzten und die von seinen Verbrechen profitierten, geschaffen wurde, zwingt uns, die Zukunft Chiles sorgf�ltig zu beobachten. Der Tod des M�rders sollte einen entschlossenen Kampf ausl�sen, um die Gesellschaft Chiles zu zwingen, die Stellung Pinochets - und all dessen, was er symbolisiert - in der Geschichte des Landes zu bestimmen; eine Aufgabe, zu der auch geh�rt, auf denselben Geschichtsseiten das andere Gesicht Chiles aufzuzeigen: das nach wie vor von Salvador Allende verk�rperte Gesicht der Humanit�t und der Demokratie.

Die Zeichen lassen nichts Gutes erwarten, nicht nur in Chile. So sollten wir beispielsweise h�chst alarmiert �ber das k�rzliche und nach wie vor ungekl�rte Verschwinden von Julio L�pez in Argentinien sein, eines wichtigen Zeugen in den Prozessen gegen den des V�lkermords angeklagten Etchecolatz, und auch �ber die brutale Kampagne der Drohungen und Einsch�chterungen gegen bekannte Menschenrechtsaktivisten in diesem Land, von denen viele �berlebende des "schmutzigen Krieges" sind. In Brasilien ignoriert Pr�sident Lula die seit Jahren von Menschenrechtsorganen erhobenen Forderungen, die Milit�rarchive zu �ffnen, damit die Menschen die wahre Geschichte der brasilianischen Diktatur kennenlernen k�nnen, eines weiteren Milit�rregimes, das mit dem "Brasilianischen Wunder" ein Wirtschaftsmodell einf�hrte, das dem von Pinochet verwirklichten Modell in vieler Hinsicht als Vorbild diente.

In Uruguay sind die ber�chtigtsten Milit�r- und Polizeioffiziere, die beschuldigt werden, die Unterdr�ckung im Rahmen des Condor Plans - einer weiteren Erfindung des Schl�chters von Santiago - angef�hrt zu haben, ebenso wie der Exdiktator Juan Mar�a Bordaberry und sein Au�enminister Juan Carlos Blanco, gerichtlich angeklagt worden und m�ssen ihren Prozess im Gef�ngnis abwarten. Diese Ma�nahmen der Justizbeh�rden Uruguays sind ein deutlicher Schritt vorw�rts im Streben nach Recht und Gerechtigkeit, das nach wie vor durch das Gesetz �ber das Erl�schen der Strafvollmachten des Staates behindert wird, dessen Aufhebung nunmehr von wichtigen Gruppen der Gesellschaft im Rahmen einer von der IUL-Lateinamerika unterst�tzen Kampagne angestrebt wird. Ungeachtet dessen gilt es nach wie vor, den ersten Teil der von der Linken, die jetzt an der Macht ist, seit langem erhobenen Forderung umzusetzen: Wahrheit. Die Berichte des Milit�rs �ber das Schicksal der Verschwundenen waren eindeutig als Desinformation gedacht, und auch hier bleiben die Milit�rarchive in den stark bewachten Milit�rzentralen gesch�tzt.

Der Tod Pinochets sollte zum Nachdenken �ber die deutlichen Folgen Anlass geben, die die Milit�rdiktaturen f�r die Gesellschaften Lateinamerikas gehabt haben. Er muss uns veranlassen, zu entdecken, zu analysieren und aufzuzeigen, warum es nie zu einer Bestrafung kam; und er muss uns darin best�rken, unersch�tterlich f�r Demokratie mit sozialer Gerechtigkeit, mit bleibender Erinnerung, mit Gerechtigkeit f�r alle und mit W�rde zu k�mpfen.

Dass niemand den Schl�chter von Santiago vergisst ... und dass niemand je wieder Angst vor ihm hat!