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Unterdrückter NAFTA-Bericht lässt Bedrohung der globalen Landwirtschaft erkennen

An die IUL Web-Site geschickt am 08-Nov-2004

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Während die US-Regierung mit Nachdruck ihre Klage bei der WTO gegen das abgelaufene Moratorium der Europäischen Union für GVO-Einfuhren betreibt, hat sie gleichzeitig versucht, einen amtlichen Bericht über die GVO-Kontaminierung von mexikanischem Mais zu unterdrücken, den die Kommission für Umweltzusammenarbeit (CEC) des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) erstellt hat. Die Regierung hat interveniert, um die Veröffentlichung dieses Berichts auszusetzen, und bemüht sich jetzt darum, diese Aussetzung um unbegrenzte Zeit zu verlängern. Die bekanntgewordenen Schlussfolgerungen des Berichts können jedoch jetzt im Internet nachgelesen werden (in Englisch).

Der Bericht, der aufgrund der Forderungen mexikanischer Umwelt-, Eingeborenen- und Bauernorganisationen ausgearbeitet wurde, bestätigt, was unabhängige Forscher bereits früher nachgewiesen, die Agrarlebensmittel- und Biotechnologiebranche sowie ihre politischen Verbündeten jedoch ständig bestritten haben. In Mexiko, dem Geburtsland von Mais und der Heimat der reichsten Artenvielfalt der Welt, ist der einheimische Mais ungeachtet des in Mexiko geltenden Verbots des kommerziellen GVO-Anbaus in großem Umfang und für alle Zeiten kontaminiert worden.

Jedes genetisch veränderte Korn ist gleichzeitig ein Saatgut, und die Bauern werden es folglich aussäen. Wenn die Pflanze reift, werden die Pollen verbreitet, und die patentierten Gene dringen in das genetische Material genetisch unveränderter Arten ein. Genau dies ist in Mexiko geschehen, gefördert durch die billigen, subventionierten genetisch veränderten Importe, die im Rahmen des NAFTA in riesigen Mengen über die Grenze gekommen sind.

Der Bericht gelangt zu der Schlussfolgerung, dass Mexiko seine biologische Vielfalt und die Bauerngemeinden, die sie bewahren, nur schützen kann, indem es das Moratorium für den kommerziellen Anbau von genetisch verändertem Mais verschärft. Um dies zu erreichen, heißt es in dem Bericht, muss die Regierung die Einfuhren von genetisch verändertem Mais auf ein Minimum reduzieren und auf einer "eindeutigen und ausdrücklichen Kennzeichnung der Säcke, Behälter und Silos" bestehen, die genetisch veränderten Mais enthalten. Zum Schutz einheimischer Arten fordert der Bericht, dass der gesamte importierte Mais unverzüglich am Einfuhrort gemahlen wird, um eine Kontaminierung durch GVO an der Quelle zu neutralisieren.

Es ist nicht verwunderlich, dass die einschlägige Branche den Bericht unterdrücken möchte, bedeutet er doch das Eingeständnis, dass es bei dem Konflikt über genetisch veränderte Organismen nicht um Fragen der "Wissenschaft", sondern um Fragen der Macht geht, vor allem um die Möglichkeit für eine kleine Gruppe von Unternehmen, die mit Saatgut, Pestiziden und Getreide handeln, die Bedingungen für die weltweite Landwirtschaft zu diktieren. Genau dies besagt die Feststellung in der Schlussfolgerung, wonach "der mit der modernen Landwirtschaft verbundene Druck und die derzeitigen wirtschaftlichen Ungleichgewichte des kommerziellen Maisgeschäfts zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten Farmer und Kleinanbauer veranlassen könnten, keine indigenen Arten mehr zu verwenden". Mexikanische campesinos zur Aufgabe indigener Maisarten zu zwingen, ist aber genau das Programm, das die Agrarlebensmittelkonzerne im Rahmen des NAFTA verfolgen. Das Ziel besteht nicht nur darin, den mexikanischen Maismarkt für die US-amerikanischen Agrarlebensmittelunternehmen zu erobern (Kanada ist bereits in Bezug auf Mais und Sojabohnen weitgehend auf genetisch veränderte Organismen angewiesen), sondern die gesamte mexikanische Landwirtschaft von patentierten Saatgutarten, Pestiziden und sonstigen Chemikalien abhängig zu machen. Die US-Regierung kommt in ihren Stellungnahmen zum Entwurf des Berichts rasch zum Wesentlichen: Die Empfehlung des Berichts, alle kommerziellen Maislieferungen unverzüglich zu mahlen, "wäre eine wesentliche Handelsbeschränkung".

Der Bericht ist besonders unangenehm, weil die Regierung Bush nicht bloß eine Klage bei der WTO gegen die bröckelnden GVO-Beschränkungen der EU verfolgt. Vielmehr arbeitet sie bereits an einer zweiten WTO-Klage gegen die europäischen GVO-Kennzeichnungsvorschriften. Im Rahmen einer umfassenderen Offensive, mit der die "Schranken" für die Ausweitung der Exporte von Grundnahrungsmitteln beseitigt werden sollen, zwingt sie Afrika GVO-Mais als "Nahrungsmittelhilfe" auf und ebnet den Weg für den weltweiten Anbau von GVO-Reis, womit die Konzerne ihr Endziel erreichen würden.

Die CEC wurde im Rahmen des Umwelt-"Nebenabkommens" des NAFTA eingesetzt, um den Handelspakt einer ablehnenden Öffentlichkeit schmackhaft zu machen, die sich Sorgen über die Auswirkungen des "freien Handels" auf die Gesundheit, die Sicherheit und die Umwelt macht. Ebenso wie das Arbeitnehmerrechte-"Nebenabkommen", das gleichzeitig und aus dem gleichen Grund draufgesattelt wurde, ist es ein wirkungsloser Anhang zu einem Instrument für die Expansion der Konzerne. Die Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Berichtsentwurfs über mexikanischen Mais können jedoch als Minimal-Leitlinien für die Eindämmung einer weiteren GVO-Kontaminierung in Nordamerika und in anderen Teilen der Welt dienen.

Darüber hinaus können noch eine Reihe weiterer Schlussfolgerungen gezogen werden. Erstens handeln die afrikanischen Nationen, die von der Bush-Regierung verhöhnt und bedroht werden, weil sie darauf bestehen, dass importierter US-amerikanischer Mais unverzüglich gemahlen wird, völlig richtig. Das Afrikanische Wachstums- und Chancengesetz aus dem Jahr 2000, das einen verbesserten Marktzugang von politischen Konzessionen abhängig macht, diente bisher als Instrument, um Regierungen dazu zu zwingen, ihre Bemühungen für die Verteidigung der Ernährungssicherheit, der biologischen Vielfalt und der Volksgesundheit aufzugeben. Indem sie Einfuhren von ungemahlenem US-amerikanischem Mais ablehnen, handeln die afrikanischen Regierungen ganz einfach nach dem Vorbeugungsprinzip. Sie verdienen deshalb umfassendere Unterstützung, weil sie verhindern wollen, dass sie durch Hunger zur Unterwerfung gezwungen werden.

Zweitens macht der CEC-Bericht, soweit das überhaupt noch notwendig ist, deutlich, dass die "Trennung" und "Abgrenzung" von GVO- und Nicht-GVO-Kulturen ein von der betreffenden Branche erfundener Reklametrick ist. Wenn GVO-Kulturen kommerziell angebaut werden, ist eine Kontaminierung vielmehr unvermeidlich und unumkehrbar.

Drittens geht es bei GVOs im Grund nur um Rechte, Macht und Kontrolle. Biologische Vielfalt und Kleinbauern sind dabei nicht die einzigen Opfer der globalen Handelsderegulierung. Die überwiegende Mehrheit des genetisch veränderten Saatguts soll gegen hohe Dosen giftiger Pestizide und Herbizide resistent sein. Seine Kommerzialisierung bedeutet einen verstärkten, und nicht einen geringeren Einsatz von Chemikalien, und diesen sind Landwirtschafts- und Plantagenarbeitnehmer in vorderster Front ausgesetzt. GVOs sind der patentgeschützte Weg zur Verminderung der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit in der globalen Landwirtschaft. Eine obligatorische GVO-Kennzeichnung und Verbote eines kommerziellen Anbaus sind die elementaren Instrumente der sozialen und biologischen Abwehr einer invasiven Technologie und werden deshalb gegen die Handels- und Investitionsregeln eingesetzt werden müssen, die der Förderung der GVO-Landwirtschaft dienen.

Und schließlich ist die Europäische Union zwar in einen WTO-Konflikt über die weitere Förderung von GVOs verwickelt, doch tritt sie dabei nur als zögernder Kämpfer auf (GVOs und die WTO: Verteidigung eines auslaufenden Moratoriums). Bei der WTO versucht die EU, die Handelssanktionen abzuwehren, die eine für die USA, Kanada und Argentinien günstige Entscheidung ihrer Klage gegen das ehemalige Moratorium zur Folge hätte. Innerhalb ihrer eigenen Grenzen dagegen gibt die EU-Kommission dem Druck der Biotechnologiebranche nach. Das jüngste einer Reihe freiwilliger Zugeständnisse bestand darin, dass die Kommission den EU-weiten Verkauf der glyphosatresistenten Maissorte NK603 von Monsanto in Lebens- und Futtermitteln erlaubt. Die endgültige Kapitulation gegenüber der Branche wird auf einer versuchsweise für den 29. November geplanten Tagung des Regulierungsausschusses zur Abstimmung gelangen, wenn die EU-Mitgliedstaaten aufgefordert werden, vom Vorbeugungsprinzip abzugehen und die nationalen GVO-Verbote aufzuheben. Gerade im Zusammenhang mit dem CEC-Bericht sollte darauf hingewiesen werden, dass diese Verbote in Deutschland, Luxemburg und Österreich als Reaktion auf die konkreten Besorgnisse über GVO-Maissorten von Bayer, Monsanto und Syngenta erlassen wurden (andere nationale Verbote betrafen Raps, für den es ebenfalls umfangreiche Beweise für eine GVO-Kontaminierung gibt). Europäische Gewerkschaften sollten den unterdrückten NAFTA-Bericht nutzen, um ihre Regierungen und die EU-Kommissare daran zu erinnern, warum diese Verbote ursprünglich erlassen wurden, und sich für ihre Aufrechterhaltung und Ausweitung einsetzen.

Es gibt jetzt eine internationale Menschenrechtsurkunde, die Ländern das Recht und das Instrument zur Ablehnung von GVO-Einfuhren gibt: das Protokoll über die Biologische Sicherheit (oder das Protokoll von Cartagena) zur Konvention über die Biologische Vielfalt (Der Weg zu einem an Rechten orientierten Multilateralismus für das Welternährungssystem erläutert das Protokoll und zeigt, wie es von Gewerkschaften genutzt werden kann). Wäre das Protokoll bereits in Kraft und wirksam angewandt worden, als das NAFTA mit seiner zerstörerischen Arbeit begann, wären Millionen mexikanischer Kleinbauern nicht gezwungen gewesen, die Zahl der Arbeitslosen in den großen Städten zu vermehren, und der GVO-Kontaminierung wäre an der Grenze Einhalt geboten worden.

Das Menschenrecht gibt den Ländern nicht nur das Recht, sich gegen GVOs zu verteidigen. Es verlangt es vielmehr von ihnen. Gewerkschaften müssen deshalb auf eine umfassendere Ratifizierung und Durchführung der Bestimmungen des Protokolls über Biologische Sicherheit drängen und damit