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IUL
Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit



Starke Gewerkschaften, sichere Lebensmittel

An die IUL Web-Site geschickt am 28-Feb-2002

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Die Dioxin- und PCB-Verseuchung von Fleisch, Gefl�gel und Molkereiprodukten aus Belgien und die anschlie�enden grauenerregenden Enth�llungen �ber Kl�rschlamm in franz�sischem Tierfutter lassen immer mehr Europ�er daran zweifeln, ob die heutigen Anbau- und Verarbeitungstechniken �berhaupt noch in der Lage sind, gesunde Lebensmittel zu liefern.



Diese Situation bedeutet f�r die Gewerkschaften eine doppelte Herausforderung. Zum einen m�ssen sie die Tausende von Arbeitnehmern sch�tzen, die aufgrund des Vorgehens skrupelloser Arbeitgeber ihren Arbeitsplatz verloren haben oder Einkommensverluste hinnehmen mu�ten. Zum andern sollten sie aber auch die Gelegenheit nutzen, die politische Reaktion auf die massive Vertrauenskrise bei den Verbrauchern in eine breitgest�tzte Bewegung zur Entwicklung eines Systems der umwelt- und sozialvertr�glichen Nahrungsmittelproduktion zu kanalisieren, die gesunde und nahrhafte Lebensmittel zu Preisen garantiert, die sich die arbeitende Bev�lkerung leisten kann. Diese Bewegung mu� auf dem Bewu�tsein der �ffentlichkeit aufbauen, da� starke Gewerkschaften in der Lebensmittelindustrie f�r sichere Lebensmittel unerl��lich sind.�ber das Ergebnis der Ministerkonferenz der WTO in Doha kann es kaum Zweifel geben. Als "Entwicklungsrunde" deklariert und mit rhetorischen Bekenntnissen zur Bek�mpfung der Armut garniert war sie in Wirklichkeit ein bedeutender Sieg der Bef�rworter der Unternehmensglobalisierung.



Der aktuelle "Rindfleischkrieg" zwischen Frankreich und dem Vereinigten K�nigreich beleuchtet schlagartig die Sackgasse, in die die Politik geraten kann, wenn es der Gewerkschaftsbewegung nicht gelingt, den Rahmen f�r die Diskussion �ber die Lebensmittelsicherheit abzustecken. Die franz�sische Weigerung, das Einfuhrverbot f�r britisches Rindfleisch, ungeachtet eines Beschlusses der Europ�ischen Kommission, aufzuheben, hat - auch innerhalb der Labour Partei aufgegriffene - populistische Forderungen nach Vergeltungsma�nahmen gegen franz�sische Lebensmittelerzeugnisse ausgel�st. Der Konflikt f�rdert in beiden L�ndern die Fremdenfeindlichkeit und noch reaktion�rere Formen einer europafeindlichen Haltung und verschleiert v�llig die eigentliche Ursache des Problems, n�mlich die zur maximalen Gewinnsteigerung angewandten �berintensiven Produktionsverfahren. Die Folge ist, da� die Besch�ftigung in der britischen Rindfleischindustrie nach wie vor weit unter dem Stand vor dem Auftreten des Rinderwahnsinns liegt und da� europ�ische Verbraucher, die Rindfleisch essen m�chten, allen Grund haben, dagegen zu rebellieren, da� sie anscheinend nur zwischen wahnsinnigen Rindern und mit Kl�rschlamm gef�tterten Rindern w�hlen k�nnen.



Bei der Auseinandersetzung �ber das Rindfleischproblem ist v�llig in Vergessenheit geraten, da� die Landwirtschaft und die Fleischverarbeitung auch in der Europ�ischen Union �u�erst gef�hrliche und zuweilen sogar t�dliche Bereiche f�r die besch�ftigten Arbeitnehmer sind. Das heutige Nahrungsmittelsystem l��t die Arbeitnehmer sowohl als Verbraucher wie auch als Lohnempf�nger im Stich. Wenn wir es ernsthaft ver�ndern wollen, m�ssen wir deshalb die Diskussion �ber die Nahrungsmittelsicherheit in andere Bahnen lenken. Die Annahmen, auf die sich die j�ngsten Vorschl�ge zur Errichtung von Beh�rden f�r Nahrungsmittelsicherheit st�tzen, zeigen, zu welchen Trugschl�ssen die Diskussion in dieser aktuellen Form f�hren kann.



Trugschlu� Nummer eins: Nationale Beh�rden f�r Nahrungsmittelsicherheit reichen aus, um die Kontrolle �ber die Nahrungsmittel, die wir verzehren wiederherzustellen. Tats�chlich hat die franz�sische Regierung als erste als Reaktion auf die BSE-Panik eine neue Beh�rde f�r Nahrungsmittelsicherheit geschaffen. Auf Ratschlag dieses Organs entschied sich die Regierung Jospin, die Anweisung der EU, das Einfuhrverbot f�r britisches Rindfleisch aufzuheben, zu mi�achten. Die Europ�ische Kommission hat diese Entscheidung jetzt f�r ung�ltig erkl�rt. Eine europ�ische Beh�rde f�r Nahrungsmittelsicherheit, die strenge Kontrollen anordnet, k�nnte dar�ber hinaus auf internationaler Ebene attackiert werden, wie die j�ngste WTO-Entscheidung deutlich macht, wonach das EU-Verbot der Einfuhr von Fleisch hormongef�tterter Rinder aus den USA eine illegale Handelsbeschr�nkung darstellt.



Schweden hat, mit energischer Unterst�tzung der Gewerkschaften, die Verwendung von Wachstumshormonen bei der Fleischproduktion bereits 1986 verboten, was die Art und Weise der Fleischproduktion in diesem Land drastisch ver�ndert hat. Infolge dieser Ma�nahme ist Schweden heute das einzige Land in Europa, in dem die Resistenz von Salmonellen gegen Antibiotika r�ckl�ufig ist. Falls jedoch aggressive Exporteure bei der WTO gegen die schwedischen Vorschriften angehen sollten, w�re dieser Fortschritt der sichereren Produktion und des sichereren Konsums von Fleisch unmittelbar gef�hrdet.



In einer Welt, in der die Art und Weise der Nahrungsmittelproduktion in zunehmendem Ma�e von den Beschl�ssen der WTO diktiert wird, sind nationale und regionale Normen der Nahrungsmittelsicherheit nur so zuverl�ssig, wie das ihnen zugrunde liegende internationale System. Die Gewerkschaftsbewegung sollte allerdings nationale, ordnungsgem�� und �berlegt errichtete Beh�rden f�r Nahrungsmittelsicherheit unterst�tzen, doch sind diese kein Allheilmittel. Der Kampf f�r Nahrungsmittelsicherheit erfordert ebenso vorrangig die Verbesserung der internationalen Normen, an denen sich die WTO ausrichtet und die von den transnationalen Nahrungsmittel- und "life science"-Konzernen festgelegt werden, die die Codex Alimentarius Kommission beherrschen (siehe "Das Leben patentieren - Leben vernichten" in Nr. 3-4/99).



Trugschlu� Nummer zwei: Nahrungsmittelsicherheit ist ein technisches Problem, das technische L�sungen erfordert, die am besten "Experten" �berlassen bleiben. Nichts k�nnte der Wahrheit ferner sein. Das heutige System der Nahrungsmittelproduktion, das sich auf Agrarfabriken und intensive Verarbeitungsmethoden st�tzt, ist das Ergebnis einer Reihe grundlegender politischer Entscheidungen und Durchf�hrungsverordnungen, die genau die Marktkr�fte geformt haben, die die WTO angeblich freisetzt, indem sie ihnen "die Spielregeln" vereinheitlicht.



Ausfuhrsubventionierungen und �hnliche Ma�nahmen, die Kleinerzeuger nur vor die Wahl stellen, sozial- und umweltsch�dliche Produktionsmethoden anzuwenden oder aber ihre Existenz zu verlieren, sind rein politische Instrumente. Internationale Richtlinien f�r Nahrungsmittelsicherheit, die hohe Pestizidr�ckst�nde zulassen, sind das Ergebnis eines politischen Prozesses, bei dem es sich in Wirklichkeit um ein abgekartetes Spiel zugunsten von Pestizidherstellern und �benutzern handelt. Gesetze, die es erlauben und sogar f�rdern, da� Arbeitgeber Arbeitnehmer entlassen, die eine Gewerkschaft gr�nden oder einen Arbeitsschutzausschu� einrichten wollen, sind der politische Ausdruck der Machtverh�ltnisse, die unser heutiges Nahrungsmittelsystem formen.



Die in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnende Verdoppelung und Verdreifachung der Bandgeschwindigkeiten in Schlachth�usern und Verarbeitungsbetrieben hat in erster Linie zur Vermehrung der Verunreinigungen und Krankheitserreger beigetragen, auf die die immer h�ufigeren Fleischvergiftungen zur�ckzuf�hren sind. Keinem technischen Kontrollsystem, auch nicht dem in einigen US-amerikanischen Verarbeitungsbetrieben heute obligatorischen und auf internationaler Ebene immer umfassender angewandten Mikrobenuntersuchungssystem HACCP (Hazard Analysis and Critical Control Points = Punktuelle Gefahrenanalysen und kritische Kontrollen), kann es gelingen, diese Entwicklung umzukehren, wenn nicht die Arbeitnehmer �ber ihre Gewerkschaften die M�glichkeit erhalten, im Interesse ihrer eigenen Gesundheit und Sicherheit und der Gesundheit der Verbraucher die B�nder zu verlangsamen und zu kontrollieren. Wie wenig vertrauenerweckend solche technischen Schnellsch�sse sind, zeigt am besten die Tatsache, da� das HACCP-System in den USA im Rahmen einer Deregulierungspolitik eingef�hrt wird, deren Ziel es ist, da� die Industrie sich selbst �berwacht und die staatliche Arbeitsaufsicht dagegen reduziert wird.



Ein wesentlicher Punkt, um den es bei dem Streit der UFCW im Gefl�gelverarbeitungsbetrieb Tyson in Corydon, Indiana, zu Anfang dieses Jahres ging, war die Forderung, Arbeitnehmern das Recht zu gew�hren, die Verarbeitung von krankem oder verletztem Gefl�gel zu verweigern (siehe Nr. 3-4/1999). Gerade solche Forderungen treffen auf den hartn�ckigsten Widerstand der Arbeitgeber, f�r die erh�hte Bandgeschwindigkeiten und die Vermeidung von "Totzeiten" entscheidende Gewinndeterminanten geworden sind. Die menschlichen Folgen st�ndig h�herer Bandgeschwindigkeiten lassen sich an der dramatischen Zunahme der durch repetitive Belastungen verursachten Sch�digungen ermessen, die in vielen L�ndern immer noch nicht offiziell als Berufskrankheiten anerkannt worden sind.



Die erste Runde im Kampf um sichere Lebensmittel wird gewonnen werden, wenn wir die �ffentlichkeit davon �berzeugen k�nnen, da� die Zunahme lebensmittelbedingter Erkrankungen, die Verletzungen von Lebensmittelarbeitern durch repetitive Belastungen, Pestizidvergiftungen und die Gefahren der Agrarfabriken s�mtlich Erscheinungen eines Systems der Lebensmittelproduktion sind, bei dem Profit wichtiger als die menschlichen Bed�rfnisse ist. Und ebenso �berzeugend m�ssen wir aufzeigen, da� ein entscheidendes Gegenmittel der Einflu� der Gewerkschaften ist, der von der Fabrik und der Farm bis zu den internationalen Organen reicht, deren Regeln bestimmen, was wir essen; ob, wie und in wessen Interesse unsere Lebensmittel erzeugt werden; und wer infolge der Qualit�t und der Verf�gbarkeit der Lebensmittel, auf die alle ein Grundrecht haben, leben oder sterben wird.