IUF logo; clicking here returns you to the home page.
IUL
Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit



Die globalen Ausbeutungsbetriebe – eine Innenansicht: Wal-Mart und der Supermarktstreik in Kalifornien

An die IUL Web-Site geschickt am 06-Feb-2004

Diesen Artikel an eine/n Bekannte/n weiterleiten.

Am 25. März 1911 brach in den Obergeschossen der Fabrik der Triangle Shirtwaist Company in New York City ein Brand aus. Das Unternehmen, ein Textil- und Bekleidungshersteller, beschäftigte damals rund 500 Arbeiter, von denen die meisten erst kürzlich eingewandert und mehrheitlich Frauen waren. Das Feuer breitete sich sehr rasch aus und forderte 146 Menschenleben, da die Arbeiter, als sie sich vor den Flammen retten wollten, auf versperrte Ausgänge und Notausgänge stießen. Viele der Opfer sprangen vom neunten Stockwerk in den Tod.

In der Fabrik war es üblich, die Ausgänge zu versperren, wobei die Eigentümer dies als Schutz vor Diebstählen rechtfertigten. Die Arbeiter wussten hingegen, dass die Türen versperrt waren, um Gewerkschaftsaktivisten draußen zu halten.

Nach dem Triangle Brand verzeichneten die Textilarbeitergewerkschaften einen großen Zulauf an neuen Mitgliedern und es gelang ihnen, gesetzlich verankerte Mindestnormen im Bereich des Arbeitsschutzes durchzusetzen. Heute ist es indes so, dass infolge der rasanten Vermehrung gewerkschaftlich unorganisierter Textilbetriebe die damals erzielten Fortschritte umgangen und unterminiert werden, was dazu führt, dass viele Textilarbeiter/innen nicht nur um ihre Arbeitsplätze fürchten müssen, sondern auch um ihre leibliche Sicherheit.

Am 18. Januar diesen Jahres – knapp hundert Jahre nach dem Triangle Brand – stand in der New York Times zu lesen, dass es in vielen Betrieben der Wal-Mart Stores Incorporated völlig normal sei, die Beschäftigten während der Nachschicht einzusperren. Ein ehemaliger Wal-Mart-Mitarbeiter berichtete, dass sein Betrieb in Colorado jede Nacht abgesperrt war – und an den Wochenenden sei überhaupt niemand mit einem Schlüssel da gewesen.

Ein Sprecher von Wal-Mart teilte der Times mit, man sperre die Arbeitnehmer zu ihrem eigenen Schutz ein. Dazu meinte ein in der Einzelhandelsindustrie tätiger Berater: “Die Praxis, die Arbeiter einzusperren, passt wohl eher ins 19. als ins 20. Jahrhundert.”

Willkommen im 21. Jahrhundert.

Wal-Mart ist heute nicht nur der größte US-Einzelhändler mit einer ständig wachsenden internationalen Präsenz, sondern auch der weltweit größte Arbeitgeber, auf dessen Gehaltsliste rund 1,3 Millionen Beschäftigte stehen. Im globalen Einkauf gilt Wal-Mart derzeit als der größte Einkäufer von Produkten aus China, wo die Zerschlagung von Gewerkschaften Teil der Staatspolitik ist. Wanderarbeiter aus den ländlichen Gebieten werden routinemäßig am Arbeitsplatz oder in den Schlafsälen hinter Schloss und Riegel gehalten. Chinesische Arbeiter bezahlen häufig mit ihrem Leben, weil sie am Arbeitsplatz niemand vertritt und keine Sicherheitsvorkehrungen eingehalten werden. Brände mit tödlichem Ausgang sind an der Tagesordnung.

Der globale Ausbeutungsbetrieb ist Realität. Hinter der gebetsmühlenartigen Berufung auf das “Informationszeitalter”, die “Internet-Ökonomie” und den “globalen Wettlauf an die Spitze” verbirgt sich in Wirklichkeit eine brutale und unmenschliche Ausbeutungspolitik, die Millionen von Arbeitnehmern auf der ganzen Welt ähnliche Arbeitsbedingungen zumutet wie den Arbeitern der Triangle Fabrik. Im Jahr 2004 kämpfen die Arbeitnehmer nach wie vor um das Recht auf einen sicheren Arbeitsplatz und darum, dass dieses Recht als universelles Menschenrecht anerkannt wird.

Ähnlich wie die chinesische Regierung widmet Wal-Mart einen erheblichen Anteil seiner Mittel dem Kampf gegen die Gewerkschaften. Bei den Nachschichtarbeitern wird zwar an Schlüsseln gespart, doch an Beratern im Personalwesen und an Firmenanwälten im Kampf gegen die gewerkschaftliche Organisierung herrscht kein Mangel. Die von Wal-Mart verfolgte aggressive Kostenpolitik, sein fanatisches Engagement bei der Zerschlagung von Gewerkschaften und der rücksichtslose globale Einsatz von Billiglohnkräften sind im Begriff, im Einzelhandel, in der gesamten Lieferkette und in der Fertigung zur industrieweiten Norm zu werden. Die Abwärtsspirale setzt sich unbarmherzig fort.

Die nordamerikanische United Food and Commercial Workers' Union (UFCW) bemüht sich seit langem darum, die Wal-Mart-Beschäftigten zu organisieren. Um das zu verhindern, scheut der Konzern keine Mittel und stützt sich dabei auf den in den USA geltenden und den Gewerkschaften feindselig gegenüberstehenden Rechtsrahmen. Heute kämpft die UFCW an zwei Fronten: Sie kämpft um das Recht der Wal-Mart-Beschäftigten auf gewerkschaftliche Vertretung und sie bekämpft den umfassenderen Wal-Mart-Effekt.

Seit Oktober letzten Jahres sind siebzigtausend UFCW-Mitglieder ausgesperrt, bzw. im Streik gegen mehrere große Supermarktketten im südlichen Kalifornien. Die Arbeitgeber fordern die Einführung eines zweigleisigen Lohnsystems, das für die derzeit Beschäftigten erhebliche Kürzungen ihrer Krankenversicherung und für die neuen Beschäftigten radikale Kürzungen derselben beinhalten würde. Sollten die Unternehmen sich durchsetzen, hieße das die Abschaffung der vom Arbeitgeber geleisteten Krankenversicherungszahlungen für die im Einzelhandel beschäftigten gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer – und das in einem Land, in dem es kein staatliches Gesundheitssystem gibt. Dass Maßnahmen dieser Art früher oder später alle Arbeitnehmer betreffen, liegt auf der Hand.

Die Gewerkschaft, die sich bei den Verhandlungen flexibel gezeigt hat, zieht in der Frage der Krankenversicherung die Grenze. Bemerkenswert ist die öffentliche Unterstützung der Arbeitnehmer durch die vielen Amerikaner, die wissen, was es heißt, ohne Krankenversicherung zu leben. Ihr Kampf wird als gerechter Kampf um die Zukunft aller Arbeitnehmer und den Grundsatz einer erschwinglichen Krankenversicherung angesehen.

Die Arbeitgeber behaupten, sie würden durch den gewerkschaftlich nicht organisierten Wal-Mart Konzern unter Druck gesetzt, wo die Beschäftigten (“Teilhaber” des Unternehmens) nicht genug bezahlt bekommen, um in den “freiwilligen” Gesundheitsplan des Unternehmens einzuzahlen. Zwar wirkt sich der Konflikt inzwischen negativ auf die Wal-Mart-Läden aus, doch von einem Einlenken kann keine Rede sein. Eher von einem Zermürbungskrieg.

Tatsächlich sind Safeway und andere in den Konflikt verwickelte Einzelhandelsketten weiterhin äußerst gewinnträchtig – so sehr, dass sie die ohnehin schon üppigen Bonuszahlungen an ihre Manager in den letzten Jahren sogar erhöhen konnten. Die anhaltende Expansion Wal-Marts und die Wal-Martisierung der Lieferketten bedeuten jedoch eine direkte Bedrohung der grundlegenden Arbeits- und Gewerkschaftsrechte auf der ganzen Welt. Dagegen gibt es nur ein wirksames Mittel: Die gewerkschaftliche Organisierung der gesamten Kette, d.h. von der Ernte bis auf den Teller und von der Fertigung bis in den Einzelhandel.

Die UFCW verteidigt gegenwärtig die Front gegen die Konzernbarbarei. Sie verdient die Unterstützung aller Arbeiter und Arbeiterinnen auf der ganzen Welt.

Regelmäßige Updates über den Supermarktstreik im südlichen Kalifornien finden sich auf der Webseite der UFCW unter www.ufcw.org
Solidaritätsbotschaften an die UFCW können ebenfalls auf ihrer Webseite verschickt werden.