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IUL
Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit



Nestlé: weltweite Gewinne, aber keine weltweiten Arbeitnehmerrechte

An die IUL Web-Site geschickt am 12-Jun-2003

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Am 28. April schloss die Leitung des Nestlé Kaffeepulverbetriebs in Ilopango, El Salvador, für immer die Werkstore. Ein Hinweisschild forderte die Arbeitnehmer auf, ihre Abfindung beim Arbeitsministerium abzuholen. Die Produktion wurde in ein anderes Land verlegt, um den Forderungen der globalen Umstrukturierung Rechnung zu tragen.

Um gerecht zu sein, muss erwähnt werden, dass dieser Schritt nicht unerwartet kam. Drei Wochen zuvor - am 8. April - wurde den Arbeitnehmern mitgeteilt, dass die Schließung des Betriebs bevorstehe. Diese großzügige Vorankündigungsfrist stand im positiven Gegensatz etwa zu der berüchtigten Schließung des Betriebs Três Coprações in Brasilien, wo den Arbeitnehmern an einem Freitag mitgeteilt worden war, dass der Betrieb am folgenden Montag geschlossen werde. Und Nestlé hat großzügigerweise zusätzlich zu den nach salvadorianischem Recht vorgeschriebenen Abfindungen zwei Monatsgehälter geboten. Dies ist jedoch nur ein kleiner Trost für die Arbeitnehmer, die ihre Arbeitsplätze verloren haben, und ihre Gewerkschaft, der IUL-Mitgliedsverband SETNESSA, hat nicht ohne Grund darauf hingewiesen, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer zu jung für den Ruhestand ist, aber andererseits zu alt, um eine neue Beschäftigung zu finden. Sie fordert deshalb, dass die Arbeitnehmer die ihnen bis zum Ablauf des bis Ende dieses Jahres geltenden Tarifvertrags zustehenden Löhne und Leistungen erhalten. Diese Forderung der Gewerkschaft verdient es, diskutiert zu werden, und würde angesichts der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer und des Niveaus der Löhne in El Salvador für das Unternehmen kaum finanzielle Schwierigkeiten bedeuten.

Verhandlungen aber sind eine Praxis, die das Unternehmen lieber vermeidet, wenn dazu keine Verpflichtung besteht. Die Nestlé-Unternehmensleitung lehnte es ab, mit der Gewerkschaft zusammenzutreffen, und wies sie an, das Betriebsgelände zu verlassen. Dann wurden die Tore geschlossen.

Die Nestlé-Konzernleitung in Vevey, Schweiz, behält sich das Recht vor, wesentliche Entscheidungen zu fällen, die die Lebensbedingungen ihrer globalen Belegschaft betreffen, weigert sich aber andererseits, die Verantwortung für globale Arbeitsbeziehungen zu übernehmen. Gewinne sind das wichtigste. Wo die nationale Gesetzgebung und Praxis zulassen, dass Unternehmen Betriebe von einem Tag zum andern schließen, sind solche Schließungen gang und gäbe. Wo schwache Gesetze Gewerkschaftszerschlagungen möglich machen, hat Nestlé keine Einwände gegen die Zerschlagung von Gewerkschaften. Wenn Gesetze in der Europäischen Union dem Unternehmen vorschreiben, über einen Europäischen Betriebsrat "Unterrichtung und Anhörung" zu ermöglichen, werden die Arbeitnehmer über die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze unterrichtet und sogar angehört (und bisher sind bereits Tausende von Arbeitsplätzen in Europa verloren gegangen, und weitere werden verloren gehen). Ohne Verhandlungen bleibt die Anhörung jedoch eine Praxis ohne jeglichen Gehalt.

Nestlé hat natürlich Recht, wenn das Unternehmen erklärt, seine Arbeitsbeziehungspraktiken entsprächen der jeweiligen nationalen Gesetzgebung. In einem Zeitalter globaler Fusionen, Übernahmen, Produktions- und Vertriebstätigkeiten ist die nationale Gesetzgebung aber nur allzu oft unzulänglich. Konzernarroganz bleibt Konzernarroganz, auch wenn sie durch das Gesetz geschützt wird.

Als globaler Konzern hat Nestlé die Freiheit, Investitionen zu tätigen und aufzulösen, zu rationalisieren und die Produktion zu verlagern, um "Eckdaten" und die Forderungen der Aktionäre zu erfüllen - und Verhandlungen mit Gewerkschaften auf allen Ebenen abzulehnen, auf denen Verhandlungen nicht gesetztlich vorgeschrieben sind. Gewerkschaften werden mit den Konsequenzen der globalen Umstrukturierung konfrontiert und sind deshalb immer wieder dazu verurteilt, lokale Kämpfe mit lokalen Unternehmensleitern zu führen. Diese Kämpfe finden notwendigerweise unter höchst ungleichen Bedingungen statt.

Für die Arbeitnehmer in aller Welt bedeuten globale Eckdaten globale Kahlschläge, die Leben zerstören und Gemeinwesen vernichten. Um hier wirksamen Widerstand zu leisten und Fortschritte zu erzielen, brauchen wir die internationale Anerkennung unserer kollektiven Rechte und unseres Vertretungsanspruchs. Wir brauchen "Eckdaten" unserer Gewinne, um eine Mindestbasis zu schaffen, auf der wir aufbauen und konsolidieren können. Die Gewerkschaften brauchen einen globalen Verhandlungstisch auf der Grundlage globaler Rechte und globaler Normen. Im Fall Nestlé bedeutet das die Schaffung von Rahmenbedingungen für die Anerkennung der IUL, die die überwiegende Mehrheit der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer des Konzerns vertritt, und für Verhandlungen mit ihr.