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IUL
Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit



Kollateralschaden des Klassenkampfes

An die IUL Web-Site geschickt am 16-May-2003

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Leitartikel von Gastautor Stuart Appelbaum, Pr�sident des IUL-Mitgliedsverbandes Retail, Wholesale and Department Store Union/UFCW und Vizepr�sident des AFL-CIO.

Seit 1898 war Fulton, N.Y. Standort einer der wichtigsten Schokoladefabriken der Nestl� Co.

Die �ber 450 Arbeitnehmer dieses Betriebs des Schweizer Unternehmens waren stolz darauf, dass Fulton der Ort war, von dem aus die Nestl�-Marke Quik ihren Siegeslauf nahm. Noch stolzer waren sie darauf, dass ihr Verdienst ausreichte, ein Haus zu erwerben, ihre Kinder aufs College zu schicken und ihren Ruhestand zu planen.

Doch im Herbst vorigen Jahres wurde diesen Arbeitnehmern, ihren Familien und allen anderen Menschen in der Stadt ihre Lebensgrundlage entzogen, als Nestl� USA ank�ndigte, es werde das Werk Fulton f�r immer schlie�en.

Verloren die Arbeitnehmer in Fulton ihre Arbeitspl�tze, weil sie nicht produktiv genug waren, um sich in der globalen Wirtschaft durchzusetzen? Kaum. Die Arbeitnehmer in Fulton wiesen die niedrigsten Abwesenheitsraten, die besten Sicherheitsergebnisse und die h�chsten Leistungsnormen in ihrem Unternehmensbereich auf. Der Betrieb war f�r den Konzern eine Geldmaschine.

Aber die Arbeitnehmer wiesen noch eine andere Besonderheit auf: ein Durchschnittsalter von 52.

Viele von ihnen n�herten sich dem Ruhestand und der Rente, die die Retail, Wholesale and Department Store Union vor Jahren f�r sie erk�mpft hatte. Je eher der Konzern den Betrieb Fulton schlie�en konnte, desto weniger musste er in die Rentenkasse der Arbeitnehmer zahlen. Mit der Umgehung dieser Kosten konnte Nestl� Millionen Dollar sparen.

Die "Habgier der Konzerne" mag wie ein h�sslicher Begriffe aus dem W�rterbuch des "Klassenkampfes" klingen, ist aber die einzige Erkl�rung, warum die Arbeitnehmer in Fulton ihre Arbeitspl�tze verloren.

Nestl� ist heute der gr��te Lebensmittelkonzern der Welt. Gerade ein Jahr ehe der Konzern ank�ndigte, er werde den Betrieb Fulton schlie�en, verzeichnete er einen Jahresumsatz von 47 Milliarden Dollar. Allein im Jahr 2000 kletterte die Nestl�-Aktie um 30%, und auch vor dem Hintergrund unsicherer Aktienm�rkte galt sie als sichere Investition.

Das Problem f�r Nestl� bestand nicht darin, dass der Konzern um sein �berleben k�mpfen musste oder dass der Betrieb Fulton Verluste einbrachte. Vielmehr waren Erfolg und gute Gewinne f�r die Konzernleitung einfach nicht genug - sie wollte mehr, und das schnell.

Es ist eine vertraute Geschichte. Statt den Umsatz durch innovative Produkte zu steigern, entschied sich Nestl� f�r den einfachen Weg. Der Konzern ersetzte in einigen Betrieben die Facharbeiter durch Maschinen, schloss andere Betriebe und gab einige seiner Kernbereiche auf. Allein im Jahr 2000 hat Nestl� weltweit 38 Betriebe geschlossen. W�hrend der Konzern jedoch einige Bereiche ganz aufgab, erweiterte er seine T�tigkeiten mit atemberaubender Geschwindigkeit auf andere.

Unmittelbar nach der Betriebsschlie�ungswelle im Jahr 2000 wendete Nestl� 11 Millliarden Dollar auf, um im Januar 2001 den Haustierfutterherproduzenten Ralston Purina zu erwerben.

Die Entscheidung, sich einen gr��eren Anteil am Haustierfuttergesch�ft zu sichern, beruhte auf rein arithmetischen �berlegungen: Die Verkaufszahlen f�r Lebensmittel, die Menschen verzehren, wachsen nur so rasch wie die Gesamtwirtschaft, die Verkaufszahlen f�r Haustierfutter dagegen zweimal so schnell.

Aber eines hat Nestl� bei dieser Gleichung au�er Acht gelassen: die Auswirkungen seiner Entscheidung auf seine Arbeitnehmer, ihre Familien und die Gemeinden, in denen sie leben.

Die �blichste Messgr��e des Preises einer Betriebsschlie�ung sind die L�hne und Leistungen, die den Arbeitnehmern verlorengehen. Aber das ist nicht das gesamte Bild. Lokale Krankenh�user m�ssen mehr Patienten ohne Versicherungsschutz betreuen, Schulen und Lokalbeh�rden leiden unter einem sinkenden Steueraufkommen, und bereits �berlastete Betreuungsdienste werden noch st�rker in Anspruch genommen.

Es gibt aber noch andere Kosten - Eigenheime, die aufgegeben werden m�ssen, zunehmende interfamili�re Gewaltt�tigkeiten und auseinanderbrechende Familien, um nur einige zu nennen.

Wenn Unternehmen Betriebe schlie�en, erkl�ren die f�r die �ffentlichkeitsarbeit zust�ndigen Unternehmenssprecher �blicherweise, dass dies eine unvermeidbare Reaktion auf die Forderungen des Marktes sei. In einigen F�llen kann dies durchaus zutreffen. Die einzige Forderung jedoch, auf die Nestl� mit seiner Schlie�ung des Betriebs in Fulton reagierte, war die unstillbare Gier nach mehr Gewinn, unabh�ngig von dem damit verbundenen menschlichen Leid.

Der Republikaner Cal Dooley aus Visalia, einer der f�hrenden "Neuen Demokraten" im Kongress, erkl�rte vor kurzem, die Tatsache, dass Al Gore immer von "Klassenkampf" spreche, erzeuge bei den W�hlern ein "ungutes" Gef�hl. Aber die Bef�rchtungen Dooleys sind unbegr�ndet, denn �ber die Folgen der Habgier von Konzernen zu sprechen, ist noch lange kein Klassenkampf. Im Gegenteil, wir m�ssen laut dagegen angehen, wenn wir verhindern wollen, dass ihr noch mehr Gemeinwesen zum Opfer fallen.

W�rde ein Pr�sidentschaftskandidat, der dieses Problem anspricht, riskieren, dass einige W�hler ein "ungutes" Gef�hl haben? Wahrscheinlich ja. Doch die Krise, der sich Arbeitnehmerfamilien gegen�bersehen, kann kein wirklicher F�hrer guten Gewissens ignorieren.