IUF logo; clicking here returns you to the home page.
IUL
Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit


Nestl�gate: Nestl�-Kritiker unter strenger �berwachung

An die IUL Web-Site geschickt am 14-Jul-2008

Diesen Artikel an eine/n Bekannte/n weiterleiten.



Investigative Reporter des franz�sischsprachigen Westschweizer Fernsehens TSR haben enth�llt, wie Nestl� im Jahr 2003 eine Gruppe privater B�rger in Lausanne infiltrierte, die an einer kritischen Untersuchung �ber das Unternehmen arbeiteten.

Am 12. Juni machte das Schweizer Fernsehen die Ergebnisse einer Untersuchung bekannt, die einige Monate zuvor eingeleitet wurde, nachdem die Schweizer Sektion von Transparency International einen Anruf auf ihrer Hotline erhalten hatte, bei dem von einer Agentenaffaire die Rede war, in die die private Sicherheitsfirma Securitas, Nestl�, das gr��te Lebensmittelunternehmen der Welt, und die Aktivistenorganisation Attac involviert waren.

Die Untersuchung des Schweizer Fernsehens ergab, dass im Herbst 2003 eine Securitas-Agentin eine Gruppe von sieben Attac-Mitgliedern in Lausanne infiltrierte, die soeben mit der Arbeit an einem Buch �ber Nestl� begonnen hatten, das sich vor allem mit Fragen wie genetisch ver�nderten Kulturen und der Privatisierung von Wasser befasste, aber auch Arbeitsk�mpfe behandelte. Das neue Mitglied wurde von der Arbeitsgruppe aufgenommen und von den einzelnen Mitgliedern auch nach Hause eingeladen und hatte uneingeschr�nkten Zugang zu den Forschungsunterlagen, Quellen und Kontakten der Gruppe in der Schweiz und im Ausland. F�r ihren Arbeitgeber erstellte die Agentin schriftliche Berichte, und es ist nachgewiesen, dass sie mindestens einmal mit ihrem Auftraggeber in der Nestl�-Zentrale in Vevey zusammentraf. Nach der Ver�ffentlichung des Buches im Juni 2004 verlie� sie die Gruppe und verschwand von der Bildfl�che - alle Versuche der anderen, per Telefon und E-Mail Kontakt zu ihr aufzunehmen, blieben erfolglos. Und erst vor einigen Monaten, als sie die Fernsehjournalisten kontaktierten, wurde der Gruppe klar, warum ihr fr�heres Mitglied ohne eine Spur zu hinterlassen verschwunden war.

Zu seiner Rechtfertigung gab Nestl� gegen�ber der Fernsehgesellschaft eine Erkl�rung ab, worin das Unternehmen darauf hinwies, dass es w�hrend des G8-Gipfels 2003, der in Evian, Frankreich, auf der anderen Seite des Genfer Sees stattfand, seine Liegenschaften sch�tzen musste. Wann immer Aktivisten und Politiker sowie Nestl�-Arbeitnehmer Antworten fordern, wiederholt Nestl� diese Begr�ndung gebetsm�hlenartig - darunter auch auf der Tagung des Europ�ischen Betriebsrats am 24. Juni. Der G8-Gipfel fand jedoch vom 1.-3. Juni 2003 statt, also drei Monate, ehe das Ausspionieren begann. Hinzu kommt, dass die deutschsprachige Schweizer Wochenzeitschrift WOZ seither enth�llt hat, dass Securitas noch im Herbst 2003 einen Agenten f�r diese T�tigkeit suchte. In ihrer Ausgabe vom 26. Juni ver�ffentlichte die Zeitschrift Teile eines Interviews mit einem Mann, der damals Rekrutierungsgespr�che mit der Securitas f�hrte. Im Verlauf des Interviews erinnerte sich dieser Mann, dass ihm der Securitas-Werber erkl�rt habe, "eine gro�e Firma habe die Securitas beauftragt, eine Organisation zu infiltrieren, um �ber deren Aktivit�ten informiert zu sein" und er m�sse "Sitzungen einer Arbeitsgruppe von Attac Waadtland besuchen, die den Gesch�ften gro�er Firmen nachforscht". Der Mann lehnte dieses Arbeitsangebot jedoch ab und hatte aus Furcht vor Vergeltungsma�nahmen seither nie wieder �ber diese Angelegenheit gesprochen.

Aktivisten und Gewerkschafter in der Schweiz sowie in Deutschland und Frankreich, wo diese Angelegenheit ein starkes Medienecho gefunden hat, fragen sich, wie weit Nestl� gegangen ist und noch gehen wird, um kritische Stimmen zu �berwachen und zum Schweigen zu bringen. Attac Schweiz hat eine Zivilklage gegen Nestl� und Securitas wegen Verletzung der Privatsph�re und des Datenschutzgesetzes eingeleitet und Strafanzeige erstattet. Au�erdem hat es Vorst��e von Parlamentariern auf Kantonal- und Bundesebene gegeben. Das Vorgehen von Nestl� stellt eine grobe Verletzung der freien Meinungs�u�erung und grundlegender demokratischer Rechte dar und ist ein erneuter Beweis f�r sein autorit�res Verhalten gegen�ber jeder Kritik und seine Unf�higkeit, ein f�r das Unternehmen typisches Fehlverhalten einzugestehen.

"Wir m�ssen aufpassen, dass sie nicht zuviel Einfluss gewinnen!"

Diese Bemerkung machte der fr�here Nestl�-Konzernchef Helmut Maucher in einem Artikel f�r die Financial Times vom Dezember 1997. Er bezog sich dabei auf Nicht-Regierungsorganisationen. Als soeben gew�hlter Vorsitzender der Internationalen Handelskammer �u�erte er sich besorgt �ber die M�glichkeiten nichtstaatlicher Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, sich innerhalb des UN-Systems Geh�r zu verschaffen, und sprach sich f�r mehr Einfluss und mehr Profil der Wirtschaft aus, wobei er argumentierte "Die Wirtschaft ist keine Lobby wie die anderen, sondern vielmehr ein Instrument, das ihnen [den Regierungen] dabei helfen wird, die richtigen Regeln zu bestimmen". Maucher war damals nicht mehr Nestl�-Konzernchef (wohl aber Mitglied des Aufsichtsrats), war aber noch jahrelang unter Peter Brabeck mitbestimmend f�r die Unternehmenspolitik. Indem das Unternehmen hinter den Kulissen und verdeckt wirkt, um sicherzustellen, dass Organisationen der Zivilgesellschaft - einschlie�lich der Gewerkschaften - "nicht zuviel Einfluss gewinnen", ist es Nestl� gelungen, sich genau das Profil zu geben und die Autorit�t zu erwerben, auf die der Konzern nach Ansicht des autorit�ren Maucher Anspruch hat. Das beweist etwa die M�helosigkeit, mit der Nestl� seine Ansichten - so banal und offensichtlich manipulativ diese auch sein m�gen - zu genetisch ver�nderten Organismen, Wasser und Biotreibstoffen in den Medien vortragen kann. Angesichts dieser Situation d�rfte es f�r die Schweizer Fernsehjournalisten nicht leicht gewesen sein, ihre Untersuchung durchzuf�hren und die Ergebnisse publik zu machen - und das unmittelbar vor Nestl�s Haust�r.


Zu einer Zusammenfassung der franz�sischsprachigen Sendung auf Deutsch hier klicken.