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IUL
Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit


Thailands Gefl�gelarbeiter weisen den Weg

An die IUL Web-Site geschickt am 17-Oct-2007

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Dieser Artikel der Gewerkschaftsjournalisten Gunnar Brulin und Malin Klingzell-Brulin wurde urspr�nglich in der Nr. 10/2007 von M�l & Medel, der Zeitschrift der schwedischen Gewerkschaft der Lebensmittelarbeitnehmer/innen, ver�ffentlicht.

"Sie h�ngten mein Bild an den Fabriktoren aus, so dass es jeder sehen konnte. Ich wurde als Verbrecherin bezeichnet, die nicht eingelassen werden durfte," sagt die Gewerkschaftsf�hrerin Kulnipa Panton.

Das war gegen das Gesetz. Kulnipa wusste das und meldete es auf der Polizeiwache. Daraufhin wurde ihr Bild entfernt und in der H�tte der Wachen innerhalb der Fabriktore ausgeh�ngt. Die Anweisungen f�r die Wachen waren jedoch dieselben - lasst sie nicht herein.

Sie ist ganz bestimmt keine Verbrecherin, sondern eine Gewerkschaftsf�hrerin, die durch ihren Kampf in der Gefl�gelverarbeitungsfabrik Centaco am Rande Bangkoks ber�hmt geworden ist. Kulnipa Panton war eines der Gr�ndungsmitglieder des Bundes der Lebensmittelarbeitnehmer Thailands im April 2004, ein Jahr vor dem Ausbruch des gro�en Konflikts bei Centaco. Sie war die erste Generalsekret�rin dieses Gewerkschaftsbundes.

Sie war auch eine der Gr�nderinnen der Gewerkschaft in der Fabrik Centaco. Im November vorigen Jahres wurde sie entlassen. Eine ganze Reihe von Rechtsverfahren sind beim Strafgericht und beim Arbeitsgericht anh�ngig. Die Parteien in diesem Verfahren wechseln sich ab. Sie hat das Unternehmen verklagt, und das Unternehmen hat sie verklagt. In Thailand ist das nicht ungew�hnlich. Gewerkschaftsrechte werden von den Arbeitgebern h�ufig verletzt, und der Kampf um bessere Lebensbedingungen muss sowohl im Betrieb als auch vor Gericht gef�hrt werden.

Im Mai vor zwei Jahren forderte ihre Gewerkschaft Verhandlungen �ber einen Ausgleich f�r die Anfahrt zur Arbeit und eine Lohnerh�hung entsprechend der gesetzlich vorgeschriebenen Anhebung der Mindestl�hne. Alle Verhandlungsbem�hungen schlugen jedoch fehl. Im Juni wurden 400 Besch�ftigte, die s�mtlich der Gewerkschaft angeh�rten, ausgesperrt. Zweieinhalb Monate lang demonstrierten sie vor den Fabriktoren. Ihr Kampf wurde in Thailand und sogar im Ausland aufmerksam verfolgt. Unterst�tzung erhielten sie von der Regionalorganisation der IUL in Japan sowie von Gewerkschaften in Hongkong und Taiwan.

Der IGB-Bericht �ber Verletzungen der Gewerkschaftsrechte im Jahr 2006 enth�lt eine Darstellung der Gewaltt�tigkeiten, Schikanen und Entlassungen, mit denen gegen die Gefl�gelarbeitnehmer/innen vorgegangen wurde. Die Fabrikleitung lie� zu, dass ein Provokateur in die Fabrik kam und die Arbeitnehmer/innen mit Steinen bewarf. Eine Frau wurde verletzt und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Die ausgesperrten Arbeitnehmer/innen wurden mit Chlorverbindungen und anderen Chemikalien bespr�ht, die Haut und Augen verletzten, wobei behauptet wurde, dies sei versehentlich bei der Bew�sserung von Pflanzen geschehen. Gewerkschaftsf�hrer wurden bei der Polizei wegen zahlreicher Vergehen angezeigt, darunter eines gewaltt�tigen "Eindringens" auf das Fabrikgel�nde, der Verbreitung von Falschinformationen und der Verleumdung.

W�hrend des langen Konflikts konnte die Gewerkschaft ihren Zusammenhalt sichern. Dies war ein gro�er Erfolg in Thailand, wo nur etwa 1% der Erwerbsbev�lkerung gewerkschaftlich organisiert ist.

Die Schikanen gingen auch weiter, nachdem die Arbeitnehmer/innen im August 2005 an ihre Arbeit zur�ckkehrten. Im Widerspruch zum geltenden Recht f�hrte die Betriebsleitung neue Arbeitszeiten und neue Lohnabz�ge f�r Gewerkschaftsmitglieder ein, die die neuen Arbeitszeiten nicht einhielten. Im November vorigen Jahres wurden 102 Besch�ftigte entlassen, die meisten von ihnen aktive Gewerkschaftsmitglieder. Die Gewerkschaft erhob Einspruch gegen die Entlassungen, und der Fall kam vor das Arbeitsgericht. Und so geht es seither immer weiter - mehr Schikanen, neue Vorw�rfe und neue Gerichtsverfahren.

"Ich gehe fast jeden Morgen zur Fabrik und stehe vor den Toren, um mit den einzelnen Mitgliedern zu sprechen. Morgen werde ich wieder dort sein, um �ber mein Treffen mit euch zu erz�hlen," sagt Kulnipa, die 20 Jahre lang am Produktionsband Gefl�gel zerteilt hat. Heute h�lt sie auch Seminare �ber das Geschehen w�hrend des Konflikts bei Centaco ab und ist Gewerkschaftsberaterin in Entlassungsf�llen, erh�lt f�r diese T�tigkeiten jedoch kein Entgelt.

Das Verfahren, mit dem sie gegen die ge�nderten Arbeitszeiten vorging, hat die Gewerkschaft gewonnen, das Verfahren wegen der angeblichen Blockierung des Fabrikeingangs nach der Entlassung von 102 Arbeitnehmer/innen jedoch verloren.

Die neue Gewerkschaftsvorsitzende Pranom Son Liew wurde vor einer Woche gew�hlt. Jetzt hat Kulnipa keine Gewerkschaftsaufgaben mehr. Nach thail�ndischem Recht d�rfen Personen, die nicht in einem Besch�ftigungsverh�ltnis stehen, keine Gewerkschaftsaufgaben �bernehmen. F�r Gewerkschaftsvertreter gibt es kaum so etwas wie Rechtsschutz. Die von Gerichten zugesprochenen Entsch�digungen sind zu gering, um abschreckend zu wirken.

Arbeitnehmer/innen, die aus gesetzwidrigen Gr�nden entlassen werden, bem�hen sich normalerweise um eine Abfindung vom betreffenden Unternehmen. Eine Wahl hat man dabei kaum, wenn die Abfindung niedrig ist und eine Familie und kleine Kinder zu ern�hren hat. Dies ist der Fall bei Kulnipa, die dennoch keine Abfindung anstrebt, sondern k�mpfen m�chte. Sie m�chte ihren Arbeitsplatz zur�ck. Ihr Fall ist noch l�ngst nicht abgeschlossen, aber ihre Gewinnchancen sind gering. Vorerst schl�gt sie sich mit Zeitarbeitsjobs durch. Gelegentlich erhebt sie Daten f�r ein angesehenes Finanzinstitut in Bangkok. In ihrer Freizeit zerkleinert sie Gem�se, das sie auf dem Markt verkauft. "Gut dabei ist, dass andere Leute nunmehr etwas �ber die Gewerkschaftsarbeit bei Centaro erfahren k�nnen", meint Kulnipa.

Wir fragen Pranom Son Liew, die bisher ruhig dabeigesessen und zugeh�rt hat, ob sie nun, da sie Gewerkschaftsfunktion�rin ist, Angst hat, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. "Nein, ich habe keine Angst", antwortet sie. "Ich habe schon fr�her unter gro�em Druck gestanden. Wir haben jetzt keine Angst mehr. Wir haben nicht einmal davor Angst, dass das Unternehmen geschlossen wird".

Pranom arbeitet seit elf Jahren in der Gefl�gelfabrik, hat zwei erwachsene Kinder und wird bald Gro�mutter. Sie arbeitet am Ende des Produktionsbandes und �berwacht dort die Auftr�ge. Sie hat st�ndige Schmerzen in drei Fingern, eine Sch�digung durch st�ndig wiederholte Belastungen, die nach ihrer Ansicht einen operativen Eingriff erfordern wird.

Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder ist zur�ckgegangen, seit der Kampf gegen die Gewerkschaft begann, aber auch weil das Unternehmen immer mehr Vertragsarbeiter einsetzt und immer mehr Produktionsbereiche auslagert. Heute hat die Gewerkschaft rund 200 Mitglieder. Es waren einmal 500 der 800 Besch�ftigten. Als das Unternehmen die L�hne f�r Gewerkschaftsmitglieder k�rzte, entschieden sich zahlreiche Arbeitnehmer/innen, die Fabrik und nicht die Gewerkschaft zu verlassen.

Wichtig ist, dass sie immer durchgehalten haben. Sie haben immer noch ihre Gewerkschaft, sie haben einen g�ltigen Tarifvertrag, sie haben nicht zugelassen, gespalten zu werden. Sie haben ihren Fall vor Gericht vertreten und um die Hilfe des Arbeitsministeriums gebeten. Sie haben sogar bei der nationalen Menschenrechtskommission ein Zivilverfahren gegen den Arbeitgeber eingeleitet.

"In Thailand ist es schwierig, sich zu organisieren und Gewerkschaften zu gr�nden", sagt Kulnipa. Am schwierigsten ist es, daf�r zu sorgen, dass eine Gewerkschaft �berlebt, weil die Arbeitgeber alle nur denkbaren Mittel einsetzen, die Gewerkschaft zu schikanieren und zu dem�tigen".

Thailand, das heute als "K�che der Welt" bezeichnet wird, ist zu einer f�hrenden Exportnation geworden. Viele Unternehmer und Exporteure sind reich geworden, darunter auch die Mittelschichten in Bangkok, nicht jedoch die Arbeitnehmer in der Gefl�gelindustrie: Kulnipa, Pranom und ihre Kolleginnen und Kollegen.

Sie m�ssen von einem Monatslohn von 5 200 Bath (etwa 165 US-Dollar) leben, und w�hrend ihr Unternehmen seine Erzeugnisse in die ganze Welt exportiert, m�ssen sie sich mit minderwertigem Gefl�gel begn�gen. Sie erz�hlen uns, dass manchmal bis zu zwei Jahre altes Gefl�gel aufgetaut und mit frischem Gefl�gel vermischt wird, um sodann an inl�ndische Erzeuger verkauft zu werden. Die kleinen Gefl�gelb�llchen, die in Bangkok angeboten werden, bestehen h�ufig aus diesem billigen Fleisch.

Der Kampf der Centaco-Arbeitnehmer/innen f�r ihre Gewerkschaft hat Wirkung erzielt. Als Vertreter der thail�ndischen Gewerkschaftsbewegung in einem offenen Brief an den amerikanischen Pr�sidenten George Bush forderten, dass die Freihandelsabkommen zwischen den einzelnen Nationen auf den IAO-�bereinkommen �ber Gewerkschaftsrechte beruhen sollten, wurde nachdr�cklich auf diesen Kampf hingewiesen.

Centaco ist gegenw�rtig die einzige gewerkschaftlich organisierte Fabrik im riesigen Gefl�gelsektor Thailands, zu dem so gro�e Exportunternehmen wie CP Group, Betagro, Narai Interfood, Saha Farm und Grampian Foods geh�ren. Centaco produziert Fertigkost, die in der ganzen Welt verkauft wird, darunter auch in Schweden. Zu seinen Hauptkunden geh�ren Restaurants und Cateringfirmen. F�hrende schwedische Fertigkosthersteller wie Findus und Dafg�rds importieren die Erzeugnisse dieses Unternehmens, h�ufig �ber einen Gro�h�ndler wie das britische Unternehmen Lamex mit Tochterfirmen in Schweden.

Das global operierende Cateringunternehmen Sodexho arbeitet zur Zeit Mindestanforderungen beim Kauf von verarbeitetem Gefl�gel aus Thailand aus. Laut dem schwedischen Einkaufschef Nicklas Hedin bieten die thail�ndischen Unternehmen Produkte, die sonst nirgends auf dem Markt zu finden sind. Die internationalen Vorschriften von Sodexho werden in diesem Herbst in der Zentrale in Paris formuliert werden. Die Anforderungen in Bezug auf das Wohl der Tiere, die Produktqualit�t und die Behandlung der Arbeitnehmer/innen in den Fabriken und auf den Farmen werden sehr streng sein, versichert uns Hedin. Zu zwei gro�en thail�ndischen Lieferanten - CP Group und Saha Farm - sind bereits Kontakte aufgenommen worden.