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Das MAI: Munter und wohlauf bei der WTO

Posted to the IUF website 23-Jun-2003

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Die WTO-Arbeitsgruppe f�r Handel und Investitionen konnte sich auf ihrer Schlusstagung im Juni vor der WTO-Ministerkonferenz in Cancun im September nicht �ber die Aufnahme von Verhandlungen �ber ein multilaterales Investitionsabkommen (MAI) in Cancun einigen. Die Bem�hungen um ein MAI, deren Vorreiter die EU, Kanada und Japan sind (w�hrend sich die USA noch zur�ckhalten, gleichzeitig aber an noch restriktiveren bilateralen und regionalen Investitionsvereinbarungen arbeiten), sind keinesfalls eingestellt worden. So ist das MAI heimlich in die Tagesordnungen der bis September vorgesehenen "Mini-Ministertagungen" �ber Handelsfragen und zweifellos auch mehrerer nicht-�ffentlicher bilateraler Tagungen aufgenommen worden, mit denen der Druck auf die Entwicklungsl�nder erh�ht werden soll.

Die Forderung nach einer umfassenden Charta der Rechte transnationaler Investoren -in Form des MAI, das 1998 in der OECD knapp scheiterte - stellt eine der hartn�ckigeren Lobby-Kampagnen der Konzerne in unserer Zeit dar. Und das aus gutem Grund. Das MAI, das jetzt in der WTO Fu� zu fassen versucht, ist die konzentrierte Formulierung der Bem�hungen des transnationalen Kapitals, sich von allen gegenw�rtigen und k�nftigen einschr�nkenden Regeln zu befreien. Es soll einen durch die Macht von Wirtschaftssanktionen gest�rkten Schutzpanzer des internationalen Rechts gegen gegenw�rtige und k�nftige Bem�hungen nationaler Regierungen schaffen, Investitionen unter Ber�cksichtigung des �ffentlichen Interesses zu regeln.

Als das MAI durch das Zusammenwirken �ffentlicher Proteste und interner Meinungsverschiedenheiten zwischenden OECD-Mitgliedstaaten innerhalb der OECD scheiterte, wurde der Verhandlungsort einfach von der OECD zur WTO verlagert, in der es ja auch seinen Ursprung hatte. Die Doha-"Entwicklungsrunde" nahm sie sodann als eines der "neuen" Themen der Ministertagung von Cancun wieder in die internationale Agenda der Konzerne auf.

Investitionen sind jedoch bei der WTO kein neues Thema. Die geltenden WTO-Regeln, darunter die Vereinbarung �ber handelsbezogene Investitionsma�nahmen (TRIMS), beschr�nken bereits jetzt die M�glichkeiten der Regierungen, etwa durch Vorschriften �ber die zu erbringende Leistung oder den Inlandsanteil, den Technologietransfer oder die Gewinnr�ckf�hrung, Bedingungen f�r ausl�ndische Investitionen zu stellen. Die TRIMS-Vereinbarung ist das Abfallprodukt der gescheiterten Bem�hungen, ein umfassendes Investitionsabkommen zu einem Gr�ndungselement der WTO zu machen. Neu dagegen ist die erweiterte Agenda der Konzerne, zu der diese durch das erfolgreiche Ausschalten fr�herer nationaler Rechtsvorschriften mit Hilfe internationaler Vereinbarungen in der WTO sowie auf regionaler und bilateraler Ebene ermuntert wurden.

Die F�higkeit der Konzerne, gegen diese Vereinbarung verletzende Regierungen mit Hilfe von Investorklagen gegen einzelne Staaten unmittelbar vorzugehen, ist eine der dauerhafteren Errungenschaften bei diesem Machtstreben der Konzerne, da sie eine R�ckversicherung gegen m�gliche �nderungen der staatlichen Politik in den Heimatl�ndern der Investoren darstellt, indem die Konfliktbeilegung privatisiert wird. Mit der gleichen Hartn�ckigkeit wird der Schutz gegen den Verlust k�nftiger oder auch nur potentieller Konzerngewinne angestrebt, indem in alle Vorschl�ge �ber "Rechte" der Investoren eine erweiterte Definition des Begriffs "Enteignung" eingef�hrt wird.

Das urspr�ngliche Mai und die jetzt in der WTO von den Lobbyisten der Konzerne verteidigten Vorschl�ge zur Regelung globaler Investitionen richten sich unmittelbar an dem Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) aus. Kapitel 11 des NAFTA schreibt die Rechte transnationaler Investoren fest, indem Konzernen vor allem das "Recht" einger�umt wird, unmittelbar gegen die Gesetze, Vorschriften und Praktiken eines Unterzeichnerstaates vorzugehen, wenn diese die M�glichkeit des Investors beschr�nken, maximale Gewinne zu erzielen. Das NAFTA verbietet praktisch alle Vorschriften f�r ausl�ndische Investoren, indem es diesen Investoren das Recht verleiht, eine Entsch�digung f�r potentielle k�nftige Gewinneinbu�en zu fordern und zu diesem Zweck als Opfer "einer Enteignung gleichkommender Ma�nahmen" Klage zu erheben. "Gesetzliche" und "stillschweigende" Definitionen des Begriffs "Enteignung" haben das den Konzernen zur Verf�gung stehende rechtliche Instrumentarium weiter verst�rkt und dem Begriff Regulierung eine neue Bedeutung verliehen. Politiken, Ma�nahmen und Gesetze, die die T�tigkeiten ausl�ndischer Investoren einschr�nken oder lenken, gelten k�nftig als "Wegnahme" des realen und imagin�ren Eigentums der Konzerne. Die Rolle des Gastlandes wird darauf beschr�nkt, dem ausl�ndischen Kapital Steuerverg�nstigungen zu bieten und die Ausfuhr-Freizonen und maquiladoras zu �berwachen.

Die Europ�ische Union strebt gegenw�rtig ein freundlicheres, sanfteres MAI an ("Investitionen zur Entwicklung"), das den Regierungen die M�glichkeit bieten soll, die Sektoren auszuw�hlen, die sie den transnationalen Konzernen �berlassen m�chten. Die europ�ische Investorenlobby dr�ngt jedoch auf die uneingeschr�nkte �bernahme der NAFTA/MAI-Agenda, und die Erfahrungen bei den Dienstleistungsverhandlungen (GATS) haben gezeigt, dass es au�erordentlich schwierig ist, die Sto�kraft der Konzerne zu bremsen, wenn der Prozess erst einmal in Gang gesetzt worden ist. Schwergewichte innerhalb der Konzernlobby, wie der Europ�ische Arbeitgeberverband, die Internationale Handelskammer und das Europ�ische Dienstleistungsforum (ESF), haben s�mtlich das allesentscheidende NAFTA-Kapitel 11 in ihre Lobbyvorschl�ge einbezogen. Die USA, die gegenw�rtig das NAFTA auf die Amerikanische Freihandelsvereinbarung (FTAA) erweitern und �hnliche Bestimmungen �ber Investorenrechte in ihre bilateralen Investitionsvertr�ge einbauen, begn�gen sich damit, die EU und Japan das Projekt in der WTO vorantreiben zu lassen, weil die Vereinbarungen, die sie bisher unterzeichnet haben, in jedem Fall das in einem WTO-Abkommen gegebenenfalls festzulegende Niveau der Schranken f�r eine demokratische Regulierung der T�tigkeit der Konzerne anheben werden. Auch die europ�ischen Konzerne haben dies erkannt. In einem Schreiben an den EU-Handelskommissar Lamy vom 30. April forderte das ESF, dass "ein Investitionsabkommen der WTO die in bilateralen Investitionsvertr�gen vorgesehenen hohen Normen des Investitionsschutzes und der M�glichkeiten f�r die Beilegung von Konflikten verankern sollte. Zumindest sollte es Bestimmungen enthalten, die die bestehenden bilateralen Vereinbarungen anerkennen und sch�tzen."

Die Internationale Handelskammer, die eigentliche Autorin der OECD-MAI, erkl�rte, "eines der Hauptziele eines Investitionsabkommens der WTO sollte ein verst�rkter und wirksamerer Schutz der Investoren gegen Verstaatlichung, Enteignung und einer Enteignung gleichkommende Ma�nahmen sein". In einer neoliberalen Weltordnung, in der selbst Forderungen nach einem lokalen Anteil selten geworden sind, und die einzigen Verstaatlichungen bankrotte japanische Banken oder US-amerikanische Sparkassen betreffen, ist es unerl�sslich, aus den Erfahrungen mit dem NAFTA zu lernen. Der eigentliche Zweck solcher Investitionsregelungen ist es n�mlich nicht, Schutz gegen Enteignung zu bieten, sondern vielmehr, die M�glichkeiten der Regierungen radikal zu beschneiden, �ffentliche Dienste aufrechtzuerhalten und Gesetze zum Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer und Verbraucher und der Umwelt zu erlassen. Indem sie Gesetzesvorschriften als Enteignung neu definieren, nehmen sie Regierungen die M�glichkeit, die T�tigkeit der Konzerne durch Gesetze einzuengen. Sie zielen ferner darauf ab, den Freiraum zu beschr�nken, den Gewerkschaften und andere soziale Bewegungen ben�tigen, um erfolgreich Organisierungsarbeit zu leisten und f�r ihre Interessen und Forderungen einzutreten.

Auf Grund des NAFTA-Kapitels 11 hat die US-amerikanische Ethyl Corporation die kanadische Regierung erfolgreich verklagt, weil sie das von ihr hergestellte giftige Benzinadditiv MMT verboten hatte. Das Unternehmen behauptete, dass nicht nur das Verbot, sondern auch "die Parlamentsdebatte selbst eine Enteignung seiner Verm�genswerte darstellte, weil �ffentliche Kritik an MMT dem Ruf des Unternehmens geschadet hat". Drei Jahre sp�ter reichte der kanadische Konzern Methanex Klage ein, weil das in Kalifornien verh�ngte Verbot eines von ihm erzeugten chemischene Produkts "gleichbedeutend mit einer Enteignung" sei. UPS klagt gegen die Regierung Kanadas, weil sie nach wie vor ein �ffentliches Postsystem unterh�lt. Die US-amerikanische Crompton Corporation wiederum klagt gegen die kanadische Regierung, weil sie die Anwendung des Pestizids Lindane allm�hlich unterbinden will, eines Neurotoxins, das in den Vereinigten Staaten selbst verboten ist.
Wenn die Internationale Handelskammer Recht erh�lt, wird ein Verbot von Lindane nicht nur in Nordamerika, sondern auch nach internationalem Recht illegal sein. Konzerne, die sich ihres "sozialen Verantwortungsbewusstseins" r�hmen, arbeiten in Wirklichkeit daran, jede verantwortungsbewusste Regulierung unternehmerischer T�tigkeiten durch bindende internationale Vereinbarungen au�er Kraft zu setzen. Das NAFTA-Kapitel 11 zeigt in aller Deutlichkeit, warum das MAI eine Bedrohung f�r die Demokratie darstellt und deshalb verhindert werden muss.

Es spricht durchaus etwas f�r internationale Investitionsregeln, die die Rechte der Regierungen wahren und st�rken w�rden, das �ffentliche Interesse zu verteidigen und ihren Entwicklungsweg ungeachtet der Interessen transationaler Investoren selbst zu bestimmen. Aber genau das hat die WTO zur Zeit nicht zu bieten.

Das MAI, das in der WTO vorgeschlagen wird, w�re f�r die Entwicklungsl�nder vernichtend, doch w�re es historisch falsch und politisch gef�hrlich, es als ein reines Nord-S�d-Problem zu betrachten. Die Erfahrungen mit dem NAFTA haben das �berzeugend deutlich gemacht. Das MAI ist vielmehr eine politische Waffe gegen unsere Rechte als Arbeitnehmer und B�rger. Es ist eine Bedrohung f�r uns alle, und es ist unsere gemeinsame Aufgabe, es vereint zu bek�mpfen, bis es ein f�r allemal begraben ist.