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IUL
Vereinigt Lebensmittel-, Landwirtschafts- und HotelarbeitnehmerInnen weltweit


Brasilien: Nestlé leugnet Verletzungen der Arbeitnehmer

An die IUL Web-Site geschickt am 13-Dec-2001

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1997 hat Nestle im Vereinigten Königreich das Problem der Verletzung durch regelmässige Muskelbelastung (Repetitive Strain Injuries) bei den Arbeitnehmern in der Produktion die diesselbe Bewegung immer und immer wieder zu machen hatten, anerkannt. Es wurde die Entwicklung eines Programms angekündigt, das das Erscheinen dieser weitverbreiteten Arbeitsverletzung reduziert.

Im gleichen Jahr hat die Nestlé Direktion in Brasilien die Existenz dieser Verletzungen am Arbeitsplatz geleugnet (die jedoch in der Tat weitverbreitet war) und setzte die missbräuchliche Praxis fort indem sie (vornehmlich junge weibliche Arbeitnehmer) einfach entlassen hat, statt dieses Problem bei der Wurzel anzufassen.

Zu dieser Zeit publizierte das Regionalbüro der IUL in Lateinamerika einen Kurzfilm über eine Nestlé Arbeitnehmerin in Brasilien die von dieser Arbeitsverletzung betroffen und von Nestlé entlassen worden war.

Es scheint dass vier Jahre später Nestlé die Arbeitssicherheit und Gesundheit ihrer Arbeitnehmer in Brasilien immer noch niedrieger einstuft als in Westeuropa. Hier anschliessend ein Essay aus der Publikation des Lateinamerikanischen Regionalbüros SIREL von einem Arzt geschrieben der dem Regionalbüro in Lateinamerika als Berater für Gesundheit und Sicherheit zur Seite steht.

Nestlé: "Unser Leben hängt von dir ab“

Mit diesem Slogan versucht der mächtige schweizerische transnationale Konzern, ein humanes, modernes Bild von seiner Geschäftspraxis zu vermitteln. Ich muss gestehen, dass ich als Arzt stets einen guten Eindruck von diesem Unternehmen hatte, das von der Mehrheit der Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln in Zusammenhang gebracht wird.

Seit einiger Zeit beobachte ich indessen die Anfechtungen einiger NGO, die den tatsächlichen Nutzen der massiven Werbung, die Nestlé in den verschiedenen Kommunikationsmedien betreibt, in Frage stellen. Diese beeinflusst den Verbrauch von Nestlé-Erzeugnissen bei Kleinkindern und schadet dadurch dem Anreiz für die Ernährung mit natürlicher Muttermilch, um nur ein Beispiel zu nennen. Persönlich zwingen mich die Arbeitsbedingungen und deren Folgen für die Beschäftigten, die unter Schädigungen durch ständig wiederholte Muskelanspannung (RSI) leiden, das Verhalten von Nestlé in Frage zu stellen.

Im April 2001 wurde ich von María Alice, Angestellte des Nestlé-Betriebs im Landesinneren Brasiliens, konsultiert, die über Schmerzen an den Schultern, Ellenbogen und Handgelenken klagte, die schrittweise zunahmen und einen Rückgang ihrer Arbeitsproduktivität verursachten. María Alice unterzog sich einem Elektroneuromyogramm, dessen Ergebnis eindeutig war: Karpaltunnelsyndrom am rechten und am linken Handgelenk. Außerdem zeigte eine weitere Ultraschalluntersuchung eine Sehnenentzündung an den Streckmuskeln des Handgelenkes.

Sie erzählte mir, sie habe den Betriebsarzt konsultiert, der ihren Beschwerden bislang keine große Beachtung geschenkt und gesagt habe, dies sei normal. Er habe ihr empfohlen, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Nachdem sie weitere Ärzte konsultiert hatte, nahm sie an einer von ihrer Gewerkschaft einberufenen Versammlung unter Beteiligung dieses Fachmanns der IUL teil, wonach entschieden wurde, eine Beurteilung ihres Falls vorzunehmen.

Nach Prüfung ihrer Krankengeschichte und ihrer beruflichen Umstände – Untersuchungsergebnisse, die sie mir selbst brachte – hatte ich keinen Zweifel mehr: Der Verdacht lautete auf Schädigungen durch ständig wiederholte Muskelanspannung. Gemäß der Gesetzgebung ersuchte ich um eine Beurteilung für eine ordnungsgemäße Diagnose. Zu meiner Überraschung erhielt ich einige Tage später ein Schreiben des Betriebsarztes, das auch vom Verantwortlichen für Humanressourcen unterzeichnet war (was beweist, dass eine klinische Erörterung des Falls zwischen nicht medizinischen Fachleuten stattgefunden hatte), das meiner Diagnose widersprach und eine mögliche Absicht der Angestellten andeutete, mich zu einer falschen Diagnose anzustiften. Laut diesem Schreiben „lag seitens der Patientin Anstiftung zu einer Diagnose vor“.

Ich muss gestehen, dass ich von der Haltung dieser beiden Fachleute im Dienste von Nestlé negativ überrascht war. Ich hielt es für angebracht, das Schreiben María Alice zu übergeben, damit sie über die Meinung der Betriebsfachleute zu ihrem Fall unterrichtet war. Auch sie war bei der Lektüre des Schreibens überrascht und sagte mir, dass sie mir nach einer neuerlichen Konsultation entsprechende Neuigkeiten mitteilen werde.

Zehn Tage später informierte sie mich über das Ergebnis der Konsultation und brachte weitere Unterlagen mit und berichtete über weitere Fälle von RSI bei Beschäftigten von Nestlé. Zwei Beschäftigte des schweizerischen transnationalen Konzerns waren entlassen worden, obwohl sie ein Krankenbild zeigten, das mit RSI kompatibel war. Eine von diesen besaß ein von einem Facharzt des Arbeitsgerichts ausgestelltes ärztliches Zeugnis, in dem festgehalten wurde, dass sie infolge der Arbeitsbedingungen bei Nestlé unter RSI leide. Laut Aussagen von María Alice ist das Klima des Misstrauens im Unternehmen erniedrigend und löste bei den Kolleginnen große Entrüstung aus. Was würde der Arzt dieses Nestlé-Betriebs in diesen Fällen sagen?



Dr. Roberto Ruiz